Über Instagram, YouTube und Telegram Islamisten gehen subtiler bei Rekrutierung von Kindern vor

Berlin · Islamisten umwerben Kinder und Jugendlichen in sozialen Medien stärker mit subtilen Botschaften. Gewaltdarstellungen und direkte militante Inhalte sind laut einem Bericht zurückgegangen. Entwarnung gibt es aber nicht.

 Das YouTube-Logo auf einen Laptop.

Das YouTube-Logo auf einen Laptop.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Islamisten setzen bei der Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen seltener auf militante Gewaltdarstellungen. „Deutschsprachige Kanäle und Profile aus dem dschihadistischen Umfeld verbreiten Inhalte inzwischen subtiler als in den Jahren zuvor“, sagte Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net, am Dienstag bei der Vorstellung des Lageberichtes „Islamismus im Netz 2018“ in Berlin. Jugendschutz.net ist das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet. Es untersuchte für den Bericht 19.200 Onlineangebote mit islamistischen Inhalten.

Registrierte das Zentrum 2017 noch insgesamt 195 Gewaltdarstellungen wie Hinrichtungs- und Foltervideos, ging die Zahl den Angaben zufolge im vergangenen Jahr auf 48 zurück. Das entspreche etwa sechs Prozent aller festgestellten Verstöße gegen jugendschutzrechtliche Bestimmungen. Bei den anderen Verstößen handelte es sich um die Darstellung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (56 Prozent), Kriegsverherrlichung (20 Prozent) oder die Verletzung der Menschenwürde (14 Prozent).

Er führt den Rückgang vor allem auf drei Phänomene zurück: Zum einen verbreite der sogenannte „Islamische Staat“ weniger Inhalte, zum anderen kennen die Akteure die rechtlichen Grenzen und wissen, wie sie die Inhalte gewaltfreier und näher an der Lebensrealität der Jugendlichen gestalten können. Zudem würden islamistische Inhalte in den sozialen Medien häufiger durch die Anbieter gelöscht.

Entwarnung geben kann Glaser aber nicht: Nur weil es weniger Gewaltdarstellungen gebe, sei die Ideologie nicht verschwunden. „Für islamistische Akteure sind Instagram, YouTube und Telegram ein ideales Rekrutierungsfeld“, sagte er. Die Nutzung dieser Dienste gehörten zum Alltag der Kinder und Jugendlichen. Extremisten könnten so einen niedrigschwelligen Zugang zu islamistischen Weltanschauungen schaffen.

Positiv äußerte sich Glaser über die Zusammenarbeit mit den großen Plattformen bei der Löschung. Nur Telegram lösche lediglich 58 Prozent. Die rückläufige Tendenz von Gewaltdarstellungen führte er auf den Niedergang des IS, neue Strategien und besseres Löschen zurück. Jugendschutz.net könne aber immer nur einen Ausschnitt aller Veröffentlichungen erfassen.

Nach Angaben von Bundesjugendministerin Franziska Giffey (SPD) ködern die radikalen Gruppen Minderjährige mit provokanten Videos, Anleihen aus Comics und Computerspielen oder mit subtilen Hassbotschaften. Besonders empfänglich seien Jugendliche, die selbst Diskriminierung erfahren hätten, sich ausgegrenzt und benachteiligt fühlten oder auf Identitätssuche seien.

Giffey kündigte an, noch in diesem Jahr die Novellierung des Jugendmedienschutzes vorzulegen. Dabei sollten auch die Betreiber stärker in die Pflicht genommen werden, etwa durch sichere Voreinstellungen in Online-Chats, niedrigschwellige Melde- und Hilfesysteme oder klare Alterskennzeichnungen. "Anbieter von Plattformen und Diensten müssen sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche nicht mit extremistischen Inhalten konfrontiert werden."

Giffey wandte sich gegen Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) , dem Verfassungsschutz grundsätzlich die Überwachung von Jugendlichen unter 14 Jahren zu erlauben. Kinder sollten nicht als Täter stigmatisiert werden. In begründeten Fällen bei hohem Risiko sei eine Überwachung schon jetzt möglich.

(zim/epd/KNA)
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