Vakzin von Astrazeneca in der Kritik Sorge um Impf-Nebenwirkungen

Berlin · Die Debatte um unerwünschte Wirkungen des Astrazeneca-Impfstoffs reißt nicht ab. Während er bei Experten als genauso sicher wie andere Vakzine gilt, haben einige Impfberechtigte offenbar Vorbehalte. Weltärzte-Präsident Montgomery fordert nun eine Auswahlmöglichkeit.

 Eine Dosis des Vakzins von Astrazeneca wird für die Impfung vorbereitet (Archiv).

Eine Dosis des Vakzins von Astrazeneca wird für die Impfung vorbereitet (Archiv).

Foto: AP/Alessandra Tarantino

Seit einigen Tagen wird der Impfstoff von Astrazeneca an unter 65-Jährige in Deutschland verimpft. Nun sorgen Meldungen über Nebenwirkungen für Wirbel. Beim Rettungsdienst in Dortmund etwa meldete sich rund ein Viertel der Mitarbeiter nach der Impfung krank. „Grundsätzlich sind die auftretenden Nebenwirkungen ein Zeichen für die gewünschte Gegenreaktion des Körpers. Sie entsprechen als relativ häufig vorkommend, aber mild verlaufende und schnell vorübergehende Symptome den Hinweisen in der Fachinformation“, erklärte eine Sprecherin von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Das Ministerium fordert die Städte zugleich auf, Belegschaften gestaffelt zu impfen: „Vor Ort sollte geprüft werden, wie die Belegschaft einer Einrichtung zeitlich gestaffelt sinnvoll geimpft wird, um größere Personalausfälle zu verhindern.“

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das für die Überwachung der Impfstoffe in Deutschland zuständig ist, schaut sich die Meldungen genau an: „Aktuell untersucht das Referat Arzneimittelsicherheit, ob die gemeldeten Reaktionen über das hinausgehen, was in den klinischen Prüfungen beobachtet wurde und ob – sofern das der Fall ist – Gründe dafür erkennbar sind“, sagte eine Sprecherin.

Auch im Saarland gab es Meldungen über Vorbehalte gegenüber Astrazeneca. Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) hatte zuletzt eine mangelnde Impfbereitschaft mit dem Vakzin kritisiert. Am Wochenende seien bei einer „Sonderimpfung im medizinischen“ Bereich 54 Prozent von 200 zur Impfung angemeldeten Personen nicht erschienen, ohne den Termin abzusagen. Dies habe offenbar damit zu tun, dass dieser Impfstoff nur einen Wirkungsgrad von 70 Prozent habe, sagte die CDU-Politikerin.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jedoch weiterhin den Einsatz des Impfstoffs. In Deutschland hat die Impfkommission das Vakzin des britisch-schwedischen Konzerns nur für unter 65-Jährige empfohlen. Während die Mittel von Moderna und Biontech eine Wirksamkeit von 94 und 95 Prozent haben, sind es bei Astrazeneca nach einer neuen Studie nach der ersten Impfung 76 Prozent und nach der zweiten bis zu 82 Prozent.

Medizinisches Personal und Pflegekräfte sollten nach Ansicht des Vorsitzenden des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werden. Der Impfstoff sei zwar genauso sicher wie die anderen. „Doch die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren“, sagte Montgomery unserer Redaktion. „Daher halte ich es für geboten, Menschen mit hohem Infektionsrisiko, zu denen medizinisches Personal oder Pflegekräfte gehören, mit besser wirksamen Vakzinen zu impfen.“ Er habe Verständnis für medizinisches Personal, dass sich nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff impfen lassen wolle.

Jüngere Menschen mit wenigeren Kontakten und einem geringeren Risiko für schwere Verläufe könnten hingegen von Astrazeneca profitieren, sagte Montgomery weiter. Er forderte: „Es muss eine Auswahlmöglichkeit der Impfstoffe für die Menschen geben, damit die Impfbereitschaft hoch bleibt.“ Leider habe der Impfstoff von Astrazeneca ein Imageproblem, und es sei „genau die Verunsicherung aufgetreten, die alle vermeiden wollten.“

Doch die Idee einer Auswahlmöglichkeit stößt auch auf Kritik. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, lehnte diese ab und verteidigte das Astrazeneca-Vakzin gegen Vorbehalte. „Alle Impfstoffe haben ein reguläres Zulassungsverfahren durchlaufen und sind hochwirksam. Wie bei jedem anderen Serum können Reaktionen auftreten“, sagte Brysch auf Anfrage. „Das ist bei Biontech/Pfizer ebenso wie bei Moderna und Astrazeneca der Fall. Gleichsam schützen die Vakzine vor schweren Krankheitsverläufen“, so Brysch. Er sprach sich gegen eine Auswahlmöglichkeit aus: „Für die nächsten Monate bleibt absehbar, dass nicht ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen. Deshalb muss priorisiert werden. Solange das so ist, kann es keine Wahlmöglichkeiten geben“, sagte Brysch. Wegen unzureichenden Datenmaterials des Herstellers Astrazeneca für die über 65-Jährigen sei die Entscheidung des Bundesgesundheitsministers richtig gewesen, den Impfstoff zunächst nicht dieser Altersgruppe anzubieten.

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