Nach Eil-Entscheidung gegen EFSF-Gremium Sorge um Handlungsfähigkeit des Bundestags

Berlin (RPO). Nach der Eil-Entscheidung aus Karlsruhe gegen die Bildung eines Sondergremiums für Entscheidungen zum Euro-Rettungsfonds sind Sorgen um die Handlungsfähigkeit des Bundestages laut geworden. Unionsfraktionsvize Michael Meister sagte in einem Zeitungsinterview, Schnelligkeit und Vertraulichkeit könnten zum Problem werden. Der FDP-Europapolitiker Wolfgang Klinz wies diese Befürchtungen zurück.

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"Probleme haben wir bei eiligen Entscheidungen", sagte Meister der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". Schwieriger werde es auch mit der Vertraulichkeit, da es um sogenannte Sekundärmarktgeschäfte gehe, bei denen Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten gehandelt werden, die bereits auf dem Markt sind. "Wenn wir die ankündigen, brauchen wir sie nicht mehr durchführen", sagte Meister. "Hier wird das operative Handeln eingeschränkt."

Auch Otto Fricke, FDP-Haushaltsexperte und Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag, betonte im Norddeutschen Rundfunk, mit einem Sondergremium sei die Vertraulichkeit einzelner Entscheidungen besser zu wahren. Fälle, in denen sich Spekulanten durch eine öffentliche Debatte "eine goldene Nase hätten verdienen können", seien durch ein kleines Gremium besser zu vermeiden gewesen.

Der FDP-Politiker Klinz, Vorsitzender des Sonderausschusses zur Wirtschafts- und Finanzkrise im Europäischen Parlament, sagte im Deutschlandradio Kultur, er gehe davon aus, dass auch der gesamte Haushaltsausschuss des Bundestages schnell und erfolgreich bei der Euro-Nothilfe arbeiten könne.

Beschlüsse würden mit dem gesamten, 41 Mitglieder zählenden Ausschuss zwar "schwierig und kompliziert". Mit modernen Kommunikationsmitteln könnten sie sich aber so verständigen, dass sie schnell genug reagieren könnten. "Die Welt geht jetzt nicht unter. Wir sollten jetzt nicht so tun, als ob der ganze EFSF in Gefahr wäre und Deutschland gewissermaßen zum Bremser dieses neuen Weges wird", sagte Klinz.

Verfassungsrichter stoppen Sondergremium

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Freitag die Bildung eines Sondergremiums vorläufig gestoppt, das in dringenden Fällen statt des Bundestags-Plenums über Maßnahmen zur Euro-Rettung entscheiden soll. Es begründete seine einstweilige Anordnung damit, dass das neunköpfige Sondergremium Entscheidungen treffen könnte, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestags berühren.

Diese "mögliche Rechtsverletzung" wäre durch eine spätere Gerichtsentscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen, da Deutschland nach einer Zustimmung zu den Eilmaßnahmen "völkerrechtlich bindende Verpflichtungen" eingegangen wäre.

Dem erst am Mittwoch vom Bundestag gewählten Sondergremium gehören drei Vertreter der Union sowie je zwei Abgeordnete von SPD und FDP an; die Grünen und die Linke sind mit je einem Parlamentarier vertreten. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) teilte nach der Gerichtsentscheidung mit, bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts in der Hauptsache werde die Konstituierung des Gremiums "selbstverständlich" ausgesetzt.

EFSF bekommt Bestnoten von Ratingagenturen

Die US-Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's sowie Fitch bewerten die Bonität des Eurorettungsfonds EFSF weiterhin mit der bestmöglichen Note. Sie bestätigten ihre Bewertung des Fonds mit dem Urteil "AAA", wie der EFSF am Samstag erklärte. Die politische Debatte über die Schuldenkrise in der Europäischen Union hielt unterdessen an.

Nach EFSF-Angaben berücksichtigt die Bestätigung der Agenturen die am 18. Oktober in Kraft getretene Erhöhung der EFSF-Ausleihkapazität auf 440 Milliarden Euro, die von Garantien in Höhe von 780 Milliarden Euro flankiert wird. Diese war von den 17 Euroländern in Juli auf den Weg gebracht worden und trat nach der Zustimmung aller Mitgliedstaaten im Oktober in Kraft.

"Die Bestätigung der bestmöglichen Note zeigt das in die Eurozone gesetzte Vertrauen", erklärte EFSF-Chef Klaus Regling in der Mitteilung des Fonds. Die Agenturen trauten den Eurostaaten zu, "die Finanzstabilität zurückzugewinnen". Das Spitzenrating erlaubt es dem Fonds, zu guten Konditionen Geld zu leihen und es zu niedrigen Zinsen finanzschwachen Euroländern zu borgen.

"Eckpfeiler der Strategie der Europäischen Union"

Standard & Poor's teilte zu der Entscheidung mit, es sei "so gut wie sicher, dass die Mitgliedstaaten den Fonds im Bedarfsfall mit zusätzlichen Mitteln in ausreichendem Umfang ausstatten". Der EFSF-Fonds sei "der Eckpfeiler der Strategie der Europäischen Union", mit der sie aus der Schuldenkrise finden und das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen wolle.

Am Donnerstag war bei einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in Brüssel beschlossen worden, die Schlagkraft des Eurorettungsfonds auf eine Billion Euro zu erhöhen. Investoren sollen dabei mit Hilfe eines sogenannten Hebels dazu ermuntert werden, Staatsanleihen von Euroländern zu kaufen, die seitens des Fonds teilweise gegen Verluste abgesichert werden.

Die Erhöhung der Schlagkraft soll den Fonds handlungsfähig machen, falls auch Staaten wie Spanien oder Italien Finanzhilfen brauchen. Bei dem Gipfeltreffen in Brüssel stimmten die Euroländer auch weiteren Hilfen für Griechenland zu und handelten mit der internationalen Bankenvereinigung IIF einen 50-prozentigen Schuldenschnitt für das Land aus.

Merkel wird zur Euro-Retterin

Zu den Verhandlungen sagte IIF-Geschäftsführer Charles Dallara der "Welt am Sonntag", es sei erst eine Einigung erzielt worden, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich eingeschaltet und eine Erhöhung der Garantien für den Schuldenschnitt "von 20 auf 30 Milliarden Euro" angeboten habe. "Das gab den Ausschlag" für die Zustimmung der Banken, berichtete er.

In der griechischen Tageszeitung "Ethnos" zeigte sich Dallara überzeugt, dass sich ein Großteil der in Griechenland tätigen Banken an dem freiwilligen Schuldenschnitt beteiligen werde. EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso unterstrich in der portugiesischen Wochenzeitung "Expresso", dass die Probleme Griechenlands in der Eurozone "absolut einzigartig und außergewöhnlich" seien.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte der "Berliner Zeitung", bei dem Gipfel sei eine "Brandmauer" errichtet worden, die ein Übergreifen der "Krise in Griechenland auf den Rest Europas" verhindern solle. Bundespräsident Christian Wulff forderte von den großen Industrienationen der Welt im Deutschlandfunk eine "Kehrtwende zu nachhaltigem Haushalten und Wirtschaften".

(AFP)
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