Sondierungen in Thüringen CDU, BSW und SPD können bei Regierungsbildung (fast) nur verlieren
Meinung | Berlin · In Thüringen gibt es Sondierungen zu einer Brombeer-Koalition. Es wird schwierig: Denn was CDU, BSW und SPD verbindet, ist in erster Linie der Wille, eine AfD-geführte Regierung zu verhindern.
Jetzt versuchen es also CDU, BSW und SPD miteinander: In Thüringen gibt es vier Wochen nach der Landtagswahl offizielle Sondierungen für eine mögliche Brombeer-Koalition. Dass es dabei nicht um ein Wunschbündnis geht, ist allen klar. Wenn allerdings die Verhinderung einer AfD-geführten Regierung der einzige gemeinsamer Nenner bleibt, dürfte sich eine Zusammenarbeit schwierig gestalten.
Rein inhaltlich betrachtet, spricht mehr gegen eine solche Brombeer-Koalition als dafür. Auch wenn BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf das womöglich anders sieht: Ihr Parteichefin Sahra Wagenknecht besteht darauf, dass sich auch eine Landesregierung in Erfurt zum Ukraine-Krieg und zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland verhält - zum Beispiel mit Anträgen im Bundesrat. Wie hier ein Kompromiss des BSW mit CDU und SPD jenseits von wachsweichen Formulierungen aussehen soll, dürfte interessant werden.
CDU und SPD wiederum besetzen zusammen gerade einmal 29 der insgesamt 88 Sitze im Landtag. Die CDU ist nach der AfD zweitstärkste Kraft, aber mit deutlichem Abstand zu den Rechtspopulisten von Björn Höcke. Nach zehn Jahren Oppositionsarbeit will die CDU jetzt wieder regieren und Mario Voigt will Ministerpräsident werden. Mit Wagenknecht hat er sich schon in Berlin bei einem Edel-Italiener zum Gespräch getroffen. Um auf eine Mehrheit zu kommen, ist Voigt auf ihre Zustimmung angewiesen.
Doch selbst wenn alle drei Parteien sich auf ein Bündnis einigen sollten, käme eine solche Koalition gerade einmal auf 44 Sitze. Für die einfache Mehrheit im Parlament bräuchten sie zusätzlich mindestens eine Stimme der Linken. Es müssten also vier der fünf Parteien im Landtag zusammenarbeiten, um gegen die AfD regieren zu können.
Es ist eine Situation, in der diese vier Parteien nur verlieren können – es sei denn, sie schaffen es, so gut zusammenzuwirken, dass sie die Menschen von sich überzeugen. In einer Stimmung, in der Politikern mit großem Misstrauen begegnet wird, ist das allerdings unwahrscheinlich. Schaut man auf die unterschiedlichen politischen Positionen und darauf, dass von allen vieren eigentlich nur das BSW zu den Gewinnern der Wahl gezählt werden kann, dürfte es eher auf jede Menge Streit hinauslaufen.
Höcke kann sich wiederum zurücklehnen und abwarten. Er hat seine Ziele schon erreicht: Mit ihm als Spitzenkandidat hat die AfD erstmals in einem Bundesland die Wahl gewonnen. Seine als rechtsextrem eingestufte Landespartei hat zudem mit 32 Mandaten die Sperrminorität. Bei der chaotischen konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag hat die AfD schon gezeigt, dass sie ihre Stärke auf der politischen Bühne zu nutzen weiß, um das Vertrauen der Menschen in demokratische Institutionen weiter zu erschüttern. Am Ende dürfte das für noch mehr Frust und Polarisierung sorgen.
Die drei Parteien, die jetzt sondieren, haben eine große Verantwortung. Ob CDU, BSW und SPD es schaffen, aus diesen besonders schwierigen Startbedingungen eine Chance zu machen, ist äußerst fraglich.