Diskussion um Grundgesetzänderung Sonderrecht für Kinder?

Berlin · Kinderhilfsorganisationen fordern die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Sie versprechen sich davon ein Signal für mehr Kinderfreundlichkeit. Die Bundesregierung findet die Idee abwegig. Ihre Begründung: Kinder sind auch Menschen und damit durch bestehendes Recht abgedeckt.

 Familienministerin Kristina Schröder hält nichts von einer Änderung des Grundgesetzes eigens für Kinder.

Familienministerin Kristina Schröder hält nichts von einer Änderung des Grundgesetzes eigens für Kinder.

Foto: dapd, Tobias Koch

Am Freitag lud eine große Allianz von Kinderschutzverbänden zur großen Pressekonferenz ein. Gemeinsam mit Unicef Deutschland, dem Deutschen Kinderschutzbund und der Deutschen Liga für das Kind legte das Kinderhilfswerk einen Gesetzesvorschlag für eine Grundgesetzänderung vor.

Das Gesetz soll für Kinder gesondert Rechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie den Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln festschreiben.

Mehr als 20 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland solle damit "ein klares Signal für mehr Kinderfreundlichkeit" gesetzt werden, erklärte Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, am Freitag in Berlin.

"Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, deshalb brauchen sie über die allgemeinen Grundrechte hinaus besondere Rechte", erklärte Krüger. Es sei an der Zeit, dass sich das Prinzip der UN-Kinderrechtskonvention auch im Grundgesetz wiederfinde. Bislang fehle dort der Gedanke, "dass Kinder gleichberechtigte Mitglieder unserer Gemeinschaft, eigenständige Persönlichkeiten mit eigener Würde und dem Anspruch auf Anerkennung ihrer Individualität sind".

Deutschland soll Vorreiter werden

Lore Maria Peschel-Gutzeit von der Deutschen Liga für das Kind erklärte, angesichts der aktuellen Debatten über die Kinderarmut, ungerechte Bildungschancen und häufige Fälle von Vernachlässigung wäre die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz "ein wichtiges Signal". Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, forderte, künftig müsse das Interesse der Kinder bei allen sie betreffenden Maßnahmen wie zum Beispiel dem Planverfahren für eine Kita, Vorrang haben.

Nach Ansicht von Anne Lütkes, Vorstandsmitglied von UNICEF Deutschland, hätte eine Grundgesetzänderung auch "international Signalwirkung". Deutschland sollte bei der Umsetzung der Kinderrechtskonvention Vorreiter werden statt hinter Ländern wie Spanien, Österreich oder Südafrika zurückzubleiben, wo die Verfassungen bereits geändert wurden.

Schröder sieht keinen Handlungsbedarf

Familienministerin Schröder hält dies für unnötig. "Wir haben die Kinderrechte bereits gestärkt", sagte die Familienministerin der "Passauer Neuen Presse" vom Freitag. So gebe es ein Individualklagerecht für Fälle, bei denen es um mögliche Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention gehe. Dies stärke die Rechtsposition von Kindern "viel mehr als jede Verfassungsänderung".

Schröders Sprecher Christoph Steegmans betonte in Berlin, es gebe in Deutschland ein "Vollzugs- und kein Gesetzesdefizit" beim Kinderschutz. Das zum Jahresanfang in Kraft getretene neue Kinderschutzgesetz biete viele neue rechtliche Möglichkeiten, um die Lebenswirklichkeit von Kindern zu verbessern.

"Reflexartige Abwehr"

Die Grünen unterstützen dagegen eine Grundgesetzänderung und wollen dazu in Kürze einen Gesetzentwurf einbringen. Die "reflexartige Abwehr" der Familienministerin sei völlig unverständlich, erklärte Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Diana Golze, erklärte, ohne eine Verankerung im Grundgesetz blieben "alle noch so gut gemeinten Initiativen zur Stärkung von Kinderrechten lediglich Stückwerk".

(AFP)
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