Steinmeier in Washington Soldaten nach Afghanistan: Schonfrist für Deutschland?

Washington/Düsseldorf (RPO). Außenminister Steinmeiers Besuch in Washington wird von dem Thema Afghanistan überschattet: Werden die Amerikaner mehr deutsche Soldaten am Hindukusch fordern? Im Superwahljahr 2009 fürchtet die Politik den unpopulären Auslandseinsatz als Wahlkampfthema - gerade nach den Terrordrohungen der letzten Wochen. Deswegen ist frühestens 2010 mit weiteren Truppen zu rechnen - wenn überhaupt.

Hier trifft Steinmeier die neue US-Außenministerin
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"Willkommen zu Hause" hieß der Film, der am letzten Montag im ZDF lief und ein in der deutschen Öffentlichkeit bisher kaum beachtetes Thema aufgriff. Die Soldaten der Bundeswehr sind an vielen Orten der Welt im Einsatz, allein rund 3.500 in Afghanistan. Viele von ihnen haben Probleme, das Erlebte zu verarbeiten. Wie das Verteidigungsministerium bekanntgab, sind vor allem Soldaten, die am Hindukusch stationiert waren, als Folge von Gewalt- und Elendserfahrungen traumatisiert.

Die Deutschen haben ohnehin ein schwieriges Verhältnis zu den Auslandseinsätzen der Armee, das ist historisch begründet, liegt aber auch an der Frage nach der Zweckmäßigkeit von Soldaten in fernen Ländern. Der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck sagte seinerzeit als Verteidigungsminister, die Sicherheit Deutschlands werde am Hindukusch verteidigt. Für viele Deutsche ist das nur schwer nachvollziehbar. Das wusste auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als er sich mit Hillary Clinton traf. Die bange Frage: Werden die Amerikaner von den Deutschen mehr militärisches Engagement fordern? Womöglich gar im umkämpften Süden? Und dazu noch im Superwahljahr 2009?

Harmonie in Washington

Nach außen hin gaben sich Steinmeier und Clinton betont freundlich und harmonisch - man war offenbar sehr schnell beim Du, was in den USA allerdings nicht unüblich ist. "Deutschland ist einer unserer engsten Verbündeten", schmeichelte Clinton, um anschließend zur Sache zu kommen: Afghanistan. Dort will Washington sein Engagement in diesem Jahr massiv verstärken. Dafür brauchten die USA auch Deutschland, ergänzte die US-Außenministerin. Konkrete Anfragen gab es allerdings (noch) nicht.

Das dürfte bis zur Zeit nach der Bundestagswahl auch so bleiben, denn die Amerikaner wissen sicherlich (oder spätestens seit dem Steinmeier-Besuch) um die Sorgen ihrer deutschen Freunde. Die Regierung hat zudem wiederholt klar gemacht, dass mit keinen weiteren Soldaten zu rechnen sei. Kaum ein Politiker möchte das Thema im Wahlkampf sehen oder Wähler mit der Ankündigung von Truppenaufstockungen verschrecken. Ohnehin ist man nach den Terrordrohungen der letzten Wochen nervös und befürchtet Anschläge kurz vor dem Urnengang. Die Frage dürfte sich - wenn überhaupt - erst wieder im kommenden Jahr stellen und ist dann abhängig von der neuen Regierung.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Bundeswehr allein aufgrund ihrer Kapazitäten noch viel mehr zu leisten vermag. Insgesamt sind derzeit rund 6.500 Soldaten im Auslandseinsatz. 3.500 Frauen und Männer versehen ihren Dienst am Hindukusch - Deutschland ist damit der drittgrößte Truppensteller.

Ruhige Lage im Norden

Mit der Verantwortung für den ruhigen Norden des Landes kann man in Berlin sehr gut leben. Im Süden sind die Verbündeten regelmäßig in schwere Gefechte verwickelt und haben zahlreiche Gefallene zu beklagen. Deutschland kommt vergleichsweise glimpflich davon, beschränkt sich auf hauptsächlich auf Wiederaufbauhilfe und Patrouillen.

Nach Einschätzung des Koordinators der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt (SPD), werden die USA Deutschland nicht um mehr Soldaten in Afghanistan bitten. "Viele Leute und nicht nur ich haben bereits vor dem formellen Amtsantritt mit den Beratern von Obama gesprochen und deutlich gemacht, dass Deutschland eine große Zahl von Truppen in Afghanistan habe und wir haben die Zahl der Truppen aufgestockt", sagte Voigt am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk. Dabei habe man auch klar gesagt, dass Deutschland ein weiteres Aufstocken nicht für richtig halte. "Deshalb wird eine solche Anfrage auch gar nicht auf uns zukommen", betonte Voigt.

Die Amerikaner erwarteten jedoch, dass sich Deutschland beim zivilen Aufbau stärker engagiere. "Da wird es nicht immer nur primär wie in Deutschland diskutiert darum gehen, dass wir mehr Soldaten schicken oder uns dauerhaft im Süden engagieren, sondern da geht es um zivile und polizeiliche Ausbildung und um ökonomische Hilfe beim Wiederaufbau."

Damit scheint man sich in den USA womöglich schon abgefunden zu haben: Das Militärische muss man selbst übernehmen. "Welche umfassende Strategie wir auch verfolgen werden, wir müssen die Tendenz zur Verschlechterung der Sicherheitslage, die wir in bestimmten Teilen des Landes miterleben, umkehren", sagte Pentagon-Sprecher Geoff Morrell am Dienstag in Washington. Kurz zuvor hatten sich US-Präsident Barack Obama mit Verteidigungsminister Robert Gates über die Lage in Afghanistan. Daher sollten dort noch vor der Entscheidung über die neue Strategie zusätzliche US-Soldaten stationiert werden. Genaue Empfehlungen zur Truppenverstärkung gab Gates nach Angaben seines Sprechers noch nicht ab.

USA stocken eigene Truppen auf

Es wird erwartet, dass Obama demnächst die Entsendung von bis zu drei zusätzlichen Brigaden mit 12.000 Soldaten nach Afghanistan anordnen wird. In den kommenden zwölf bis 18 Monaten sollen parallel zum schrittweisen US-Abzug aus dem Irak bis zu 30.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan geschickt werden. Derzeit haben die USA dort 36.000 Soldaten stationiert. In Afghanistan sind für den Sommer Präsidentschaftswahlen angesetzt.

Der neue US-Präsident hat angeordnet, alle militärischen und zivilen US-Maßnahmen in Afghanistan einer genauen Prüfung zu unterziehen, um eine neue Strategie für das Land auszuarbeiten. Morrell erinnerte daran, dass Gates der neuen US-Regierung zu "bescheidenen und realistischen" Zielen geraten habe. Im Zentrum stehe dabei, dass Afghanistan nicht wieder ein Zufluchtsort für Terroristen werde, von dem aus sie Angriffe auf die USA und deren Verbündete vorbereiten könnten.

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