Wehrbeauftragter kritisiert Mängel Soldaten klagen über Saufgelage und Drohungen

Berlin (RPO). Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, kritisiert erhebliche Mängel im Führungsverhalten bei der Bundeswehr. Unterdessen wurden neue Vorwürfe gegen die Stammbesatzung des Segelschulschiffs "Gorch Fock" bekannt: Kadetten sollen sich über massive Alkoholexzesse, Todesdrohungen und sexuelle Nötigung beschwert haben.

Presse: Guttenberg geht hohes Risiko
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Foto: dapd

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll sich nach dem Willen der Opposition am Mittwoch im Wehrausschuss zu den Affären um die "Gorch Fock", geöffnete Feldpost und den Tod eines Soldaten in Afghanistan äußern. Die Zukunft der "Gorch Fock" ist nach den Vorfällen offen, ihren Kommandanten hatte Guttenberg am Freitag vom Dienst suspendiert, was auf Kritik gestoßen ist.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU), hat die massive Kritik an der Ausbildung an Bord des Bundeswehr-Segelschulschiffs "Gorch Fock" relativiert. "Ein Kriegsschiff ist kein Mädchenpensionat", sagte Beck in der Fraktionssitzung wie unsere Redaktion von Teilnehmern erfuhr.

Im Jahresbericht des Wehrbeauftragten für 2010 sind die Vorfälle auf der "Gorch Fock" noch nicht enthalten. Unabhängig davon rügt Königshaus in dem 70 Seiten starken Werk Mängel beim Führungsverhalten. "Insbesondere jungen Mannschaftsdienstgraden und unerfahrenen Vorgesetzten fehlt es bisweilen an Wissen und Gespür dafür, wann die Grenzen zum Dienstvergehen beziehungsweise zur Straftat überschritten werden", bemängelte Königshaus in seinem Jahresbericht.

Rüde Umgangsformen und Herabwürdigungen

Junge Mannschaftsdienstgrade und unerfahrene Vorgesetzte würden häufig nicht erkennen, dass bestimmte Umgangsformen und Verhaltensweisen auch dann Anstoß erregen könnten, wenn sie nicht strafrechtlich relevant seien. "Hierzu gehören insbesondere rüde Umgangsformen und herabmindernde Äußerungen", schreibt Königshaus. Als Beispiel nannte er heftig kritisierte Aufnahmerituale der Gebirgsjäger in Mittenwald, die vergangenes Jahr bekannt geworden waren.

Der Wehrbeauftragte mahnte ein hartes Durchgreifen der Vorgesetzten an: "Außerdienstliches Fehlverhalten, körperliche Misshandlungen und Übergriffe, verbale Entgleisungen und Pflichtverletzungen aller Art nach Alkoholgenuss bedürfen der konsequenten Aufarbeitung und Ahndung." Königshaus sieht allerdings in der Bundeswehr keine systematischen Verstöße gegen die Menschenwürde und die Grundsätze der inneren Führung. Es handle sich vielmehr um nicht hinnehmbare Einzelfälle.

Insgesamt sei die Zahl der Eingaben der Soldaten ab September 2009 rückgegangen und seit dem letzten Quartal 2010 wieder angestiegen, erklärte der Wehrbeauftragte. Überwiegend gehe es um persönliche Probleme, während generelle Kritik immer weniger geäußert werde.

Lob für Ausrüstung in Afghanistan

Ein gutes Zeugnis stellte Königshaus Guttenberg bei der früher häufig als unzureichend kritisierten Ausrüstung der Truppe in Afghanistan aus. Politische und militärische Führung hätten die Lage vor Ort neu bewertet und daraus die nötigen Schlussfolgerungen mit Blick auf die Ausrüstung gezogen, lobte der Wehrbeauftragte. "Es sind auch bereits zahlreiche Verbesserungen bei Ausrüstung und Bewaffnung festzustellen". Guttenberg hatte bereits kurz nach seinem Amtsantritt die Lage in Afghanistan als Krieg eingestuft und schwere Waffen wie die Panzerhaubitze, die die Truppe schon lange gefordert hatte, nach Afghanistan geschickt.

Zugleich warnte Königshaus vor Konsequenzen, die die Aussetzung der Wehrpflicht auf die Zusammensetzung der Bundeswehr und die Nachwuchsgewinnung haben werde. "Alle Nationen, die die Wehrpflicht in den vergangenen Jahren abgeschafft haben, haben die Erfahrung gemacht, dass (...) die Gewinnung des Nachwuchses für die Streitkräfte schwieriger und teurer wird", schrieb er.

Klage über sexuelle Nötigung

Unterdessen wurden neue Beschwerden von Kadetten über die Zustände an Bord der "Gorch Fock" bekannt. Offiziersanwärter hätten sich bei Königshaus über massive Alkoholexzesse der Stammbesatzung beklagt, berichtete "Spiegel Online". Kadetten hätten danach das Erbrochene der Offiziere vom Deck schrubben müssen. Ein Besatzungsmitglied habe den Offiziersanwärtern im Rausch sogar mit dem Tod gedroht. Er soll in den Schlafraum gestolpert und gerufen haben, "dass er Offiziersanwärter hasse und sie töten würde". Der Zwischenfall soll sich eine Nacht vor dem tödlichen Sturz der Anwärterin Sarah Lena S. ereignet haben. Zudem gab es Beschwerden, dass kurz nach dem tödlichen Unfall ausgelassen Karneval gefeiert worden wäre.

Ein Kadett habe auch über sexuelle Nötigung berichtet, hieß es weiter. Mehrere Besatzungsmitglieder hätten ihn im Hafen von Las Palmas in der Dusche angesprochen. Es sei "auf dem Schiff ähnlich wie im Knast, jeder Neue muss seinen Arsch hinhalten". Daraufhin hätten sie eine Shampoo-Flasche auf den Boden geworfen und ihn aufgefordert, sich danach zu bücken. Darüber hinaus enthalte ein neun-seitiger Bericht von Königshaus auch Hinweise, dass die Marine sowohl Kadetten als auch Stammbesatzung vor dem Einsatz auf der "Gorch Fock" nicht ausreichend getestet habe.

(rtr/apd/csi)
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