SPD hadert mit Günter Grass "Solche Schmähungen sind unerträglich"

Berlin · Seit Jahrzehnten begleitet Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass die SPD. Im Wahlkampf 2013 entwickelt sich der 85-Jährige zur Belastung. Seine Äußerungen zur Biographie von Angela Merkel stoßen selbst in der SPD den meisten übel auf.

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Foto: dapd, JENS MEYER

Ein Wahlkampfauftritt des Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass für die SPD ist auch bei Sozialdemokraten auf Ablehnung gestoßen: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) kritisierte in der "Bild"-Zeitung vom Freitag Äußerungen des 85-Jährigen zur DDR-Biographie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Bei allem Respekt vor Grass als Schriftsteller: Solche Schmähungen des Lebens in der DDR sind unerträglich. Erst recht 23 Jahre nach der Deutschen Einheit", sagte Sellering.

Grass hatte Berichten zufolge am Mittwochabend bei einer Diskussion mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gesagt, Merkel habe eine "doppelte, gesamtdeutsche Ausbildung" erfahren: als FDJ-Funktionärin in der DDR und dann unter Kanzler Helmut Kohl (CDU). In der FDJ-Zeit habe sie "Anpassung und Opportunität" gelernt, bei Kohl natürlich "den Umgang mit Macht".

Union und FDP kritisierten den Auftritt scharf: "Herr Grass sollte lieber seine eigene Vergangenheit in den Blick nehmen als die der Bundeskanzlerin", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der "Bild"-Zeitung vom Freitag mit Blick auf dessen Geständnis, er habe als junger Mann in der Waffen-SS gedient.

Auf Ablehnung stießen auch Grass' Äußerungen zur Bundeswehr, die er den Berichten zufolge als "Söldnerarmee" bezeichnete, in deren Auslandseinsätzen Soldaten für Geld "verbraten" würden. Er finde die Äußerungen "sehr befremdlich, um nicht zu sagen: beschämend", sagte FDP-Chef Philipp Rösler der "Welt" vom Freitag. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kritisierte Grass' "beschämendes Maß an Geschichtsvergessenheit". "Langsam fragt man sich: Ist in Grass' Pfeife wirklich nur Tabak?"

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der die Runde moderierte, ist indes nicht der Meinung, dass sich die SPD von den Bemerkungen des Autors deutlicher distanzieren müsse. "Das sind Äußerungen in seiner Verantwortung", sagte Thierse am Freitag im Deutschlandfunk. Steinbrück habe bei der Diskussion "in verschiedenen Punkten" Grass widersprochen, betonte Thierse, der die Runde moderiert hatte.

Mit Blick auf die Kritik an Merkels Vergangenheit als FDJ-Sekretärin sagte Thierse, "man kann niemandem vorwerfen, dass er in einer Diktatur ein unauffälliges, angepasstes Leben geführt hat." Er selbst habe in Interviews lediglich "leise Kritik daran geübt, dass Frau Merkel gelegentlich den Eindruck erweckt hat, als habe sie eine Widerstandsbiografie hinter sich".

(AFP)
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