Söders AKW-Vorstoß Erst umarmt er Bäume, jetzt Atomkraftwerke
Meinung | Berlin · Der Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder, den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in die Verantwortung der Länder zu geben, ist Unsinn. Söder macht bloß Wahlkampf. Wichtige Folgefragen lässt er lieber unbeantwortet.
Markus Söder ist ein politischer Filou, um es mal freundlich auszudrücken. Noch treffender ist jedoch: Söder ist gerissen, mitunter skrupellos, populistisch sowieso. Erst umarmt der bayerische Ministerpräsident Bäume, wenn’s sein muss, jetzt also Atomkraftwerke. Was dabei (mal wieder) auf der Strecke bleibt, ist die politische Glaubwürdigkeit des CSU-Vorsitzenden. Aber das hat ihn ja noch nie gestört.

Das ist Markus Söder
Sein Vorstoß, den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken in die Verantwortung der Länder zu übertragen, ist schlichtweg Unsinn. Die Idee ist zum Scheitern verurteilt. Für die notwendige Änderung des Atomgesetzes wird es keine Mehrheit geben. Aber Söder dreht sich gerne wie das Fähnchen im Wind, was er dann wie jetzt auch mit markigen Worten als Überzeugung zu verkaufen sucht. Und er kennt keine Gnade, wenn es um die Macht geht. Der frühere Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet kann davon ein Lied singen.
Nun hat Söder die bayerischen Landtagswahlen fest ins Visier genommen, im Oktober geht es für ihn um alles. Er muss die CSU zur alten Stärke führen, zumindest deutlich über 40 Prozent. Und auch, wenn Söder anderes beteuert, ist er dann wieder im Spiel um die Kanzlerkandidatur der Union. Sein persönlicher Wiedereinstieg in die Atomkraft soll diesen Zielen dienen. Söder glaubt, damit den Nerv der Bayern zu treffen, weil eine Mehrheit vielleicht für die Beibehaltung der Kernkraft ist. Ob dem so ist, sei dahingestellt. Und wenn doch, hat dies auch etwas damit zu tun, dass gerade Bayern bei der Energiewende alles andere als ein Vorzeigestaat ist. Söder greift auf Altes zurück, weil ihm Neues nicht so recht gelingen will.
Denn nach Ansicht von Experten ist gerade der Freistaat bei der Energiewende nicht im Plan. Bis 2040, so steht es im bayerischen Energiegesetz, soll das Bundesland klimaneutral sein. Es besteht aber zum Beispiel ein erheblicher Rückstand bei der Windkraft und dem Ausbau der Photovoltaik, beim Strom setzt Bayern vor allem auf Importe, beim Bau wichtiger Stromtrassen hapert es sowieso gewaltig. Die bayerische Staatsregierung sieht das selbstverständlich anders. Aber wahr ist: Die energiepolitische Misere Bayerns ist durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verstärkt worden und nicht entstanden.
Dass Söders Forderungen unseriös sind, belegt zudem der Umstand, dass der Bajuware auf wichtige Fragen keine Antworten gibt: Die Technik ist riskant, es geht um immense Sicherheit, um Schutz der Bevölkerung, sie kann nicht einfach deaktiviert und wieder aktiviert werden. Ein Bundesland allein kann dies und anderes nicht leisten. Vor allem sagt Söder nichts zur Endlagerfrage, die ja mitgedacht werden muss. In Bayern, meinte er bisher jedenfalls, werde der Atommüll nicht gelagert. Wo dann? Die anderen Bundesländer werden sich bedanken.
Die Atomdebatte ist eine, die die Gesellschaft seit Jahren spaltet. Und sie ist mit dem Abschalten der drei verbliebenen Kraftwerke noch lange nicht zu Ende. Weil der Ausstieg viele Fragen und Folgeprobleme aufwirft. Aber um eine ernsthafte Diskussion geht es Söder wohl nicht. Sondern nur um Wahlkampf.