Nachgerechnet So viel kosten die Pläne der Linken

Berlin (RP). Oskar Lafontaine liebt es, wenn die Medien ihn als Weltökonom titulieren. Der einstige Fünf-Monate-Bundesfinanzminister lässt Gesprächspartner gerne abschätzig wissen, dass er was von Wirtschaft versteht. Wirklich? Wir haben die wirtschaftspolitischen Forderungen der Linkspartei auf ihre Praxistauglichkeit untersucht. Was wäre, wenn morgen die Linke Deutschland regierte? Ein teures Gedankenspiel.

"SPD am Abschleppseil von Lafontaine"
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Foto: ddp

+++Zehn Euro Mindestlohn

Lafontaines Lieblingsforderung. Der Ex-SPD-Chef versteht sich als wahrer Arbeiterführer. Die Folge wären indes Arbeitsplatzverluste. Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrats, rechnet bei einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro mit Hunderttausenden Arbeitsplätzen, die abgebaut würden.

Selbst der gewerkschaftsnahe Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hält das Lohndiktat für übertrieben. "Das können die Unternehmen nicht finanzieren." Bei Kritik verweist Lafontaine gerne auf das "neoliberale" England, das eine gesetzliche Lohnuntergrenze fixiert hat. Doch der Vergleich hinkt. Englische Arbeitnehmer verdienen meist mehr als die umgerechnet 7,42 Euro. Und ein Mindestlohn, der nicht wirkt, schadet auch nicht.

+++Rente mit 67 abschaffen

Die unpopuläre Reform, durchgesetzt vom damaligen SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering, hat die Sozialdemokratie Mitglieder und Stimmen gekostet. Klar, dass Lafontaine sich des Themas besonders annimmt. Er verspricht eine Rückkehr zur Rente mit 65 und die Rücknahme aller Kürzungen. Zahlen müssten die Arbeitnehmer. Nach Berechnungen der Bundesregierung würde eine Beibehaltung der Rente mit 65 und eine Abschaffung aller Dämpfungsfaktoren im Jahr 2030 Mehrkosten von über 60 Milliarden Euro verursachen.

Das entspricht sechs bis sieben Beitragspunkten. Dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Deutschen bis 2030 um drei Jahre steigen wird, dann fünf Millionen mehr Menschen Rente beziehen und gleichzeitig wegen der geringen Geburtenzahl fünf Millionen Erwerbstätige fehlen werden — dazu von der Linken nichts. "Das ist eine verantwortungslose Vogel-Strauß-Politik, die den Kopf vor dem demographischen Wandel in den Sand steckt", kritisiert der Renten-Experte Axel Börsch-Supan.

+++Hartz-IV-Satz auf 500 Euro

Klingt gut, ist es aber nicht. Laut einer Studie des Instituts für Arbeit (IAB) animiert schon eine Erhöhung des Regelsatzes auf über 400 Euro (aktuell 359 Euro für Alleinstehende) zu Nicht-Arbeit. Wenn der "Soziallohn" vielfach höher ist als der zu erzielende Marktlohn, sprechen Forscher von "negativen Anreizeffekten". IAB-Autor Jürgen Wiemers schätzt die Zahl der Personen, die aufgrund des höheren Transfergelds weniger oder gar nicht mehr arbeiten würden, auf 200 000. Lafontaines Forderung schafft also Arbeitslosigkeit, finanziert vom Steuerzahler. Ein Regelsatz von 500 Euro kostet pro Jahr zehn Milliarden Euro mehr.

+++Steuern rauf

Die Linke will mit einer Millionärssteuer, einer Steuer auf privates und betriebliches Vermögen sowie einer höheren Erbschaftsteuer in noch nie dagewesenem Maß umverteilen. Konsequenz: Die Wirtschaft würde in einen kollektiven Schockzustand versetzt. "Der Vertrauensverlust wäre enorm, ein Investitionsboykott wahrscheinlich", fürchtet selbst der linke Ökonom Hickel. Eine Substanzbesteuerung der Betriebe, wie es die Vermögensteuer bedingt, wäre in der Wirtschaftskrise "tödlich", sagt er.

Und selbst wenn sie nur Privatleute treffen würde, hat die Lieblingssteuer der Linken Konstruktionsfehler. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bringt eine einprozentige Vermögensteuer "nur" 16 bis 20 Milliarden Euro. Lafontaine rechnet mit 100 Milliarden Euro. Wird die Abgabe über eine höhere Grundsteuer eingezogen — was Experten für einen rechtlich gangbaren Weg halten —, trifft sie über höhere Mieten Rentner, Niedrigverdiener, Hartz-IV-Bezieher, also die von der Linken besonders umworbene Klientel.

Die statistischen Fakten liefern überdies keine Argumentationshilfen für die Lafontainesche "Robin-Hood"-Politik: Schon heute fließt jeder dritte erwirtschaftete Euro in soziale Leistungen, von Hartz-IV über Bafög bis zum Elterngeld. Insgesamt 754 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 1990 waren es noch 338 Milliarden Euro.

Die Industrieländerorganisation OECD hat Deutschland kürzlich den Titel "zweitgrößter Sozialstaat der Welt" verliehen. Laut EU-Kommission liegt die Abgabenlast der Deutschen mit knapp 40 Prozent über dem EU-Schnitt. Lafontaine zitiert stets eine OECD-Statistik, wenn er Steuererhöhungen postuliert. Die sieht Deutschland im unteren Drittel bei den Belastungen. Nur berücksichtigt die Aufstellung nicht die neuen EU-Mitglieder im Osten.

So oder so. Wenn ein normaler Familienvater (Bruttoverdienst: 4000 Euro) schon heute laut Steuerzahlerbund von jedem Einkommens-Euro 53 Cent beim Fiskus und den Sozialkassen abgibt, ist auch für Nicht-Ökonomen ersichtlich, dass für höhere Steuern und Abgaben kaum Spielraum ist.

Das Aufblähen des Sozialstaats löst immer eine Negativ-Spirale aus. Die Kaufkraft der Bürger sinkt, die Unternehmen verkaufen weniger Produkte und müssen Mitarbeiter entlassen. Dadurch steigen am Ende wieder die Sozialausgaben. Gerechtigkeit ist anders.

+++Fazit

Nimmt die Linkspartei ihr Programm ernst, ist sie nicht regierungsfähig. Die jährlichen Mehrausgaben von 300 Milliarden Euro würden nicht nur den Schuldenstand weiter nach oben treiben, sondern neue Sozialstaats-Abhängige schaffen, Leistungsträger vertreiben und wirtschaftliche Innovationskraft erdrosseln. DIW-Chef Zimmermann bilanziert: "Die Linkspartei würde die Volkswirtschaft früher oder später in den Kollaps führen."

(RP)
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