Große Koalition So verlief das Wochenende der Entscheidungen

Die frisch gebackene große Koalition hat aufregende Stunden hinter sich. Erst triumphierte Sigmar Gabriel mit 76 Prozent Zustimmung beim SPD-Votum, dann sickerten immer mehr Ministernamen durch, einige faustdicke Überraschungen inklusive. Das Wochenende im Zeitraffer.

 Kanzlerin Angela Merkel sorgte am Wochenende für eine faustdicke Überraschung.

Kanzlerin Angela Merkel sorgte am Wochenende für eine faustdicke Überraschung.

Foto: dpa, Rainer Jensen

Angela Merkel ist die letzte an diesem Tag. Um 18.17 Uhr lüftet die Kanzlerin Geheimnisse, die keine mehr sind. Sie listet die CDU-Minister in der großen Koalition auf. So wird mit Ursula von der Leyen erstmals eine Frau Verteidigungsministerin.

"Meine Vorstellungen gerade an dieser Stelle sind sehr alt", macht Merkel klar, dass dies keine spontane Idee sei. Es ist der Abschluss eines Wochenendes, wie es im politischen Berlin selten zu erleben ist. Denn zunächst musste erst einmal eine große Hürde genommen werden.

Ein Rückblick im GroKo-Ticker

Freitagabend, 21.25 Uhr: Der Chef des Bundeskanzleramts, Ronald Pofalla (CDU), gibt sein Amt auf. Auch unsere Redaktion berichtete.

23.50 Uhr: Einsam schlendert Jan Stöß durch das Tor, Winternebel liegt über dem früheren Postbahnhof am Berliner Gleisdreieck. Der Berliner SPD-Chef soll hier eine wichtige Fracht in Empfang nehmen.

Samstag, 00.05 Uhr: Lärm stört die Nachtruhe. Ein gelber Post-Lastwagen fährt in die Halle. Stöß und SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks begutachten die Fracht. Viele rote Kisten. Darin die Briefe, die entscheiden, ob es eine große Koalition geben wird.

01.00 Uhr: Die "Hochleistungsschlitzmaschinen" des Typs OL 1000 plus starten die Arbeit. 40 000 Briefe pro Stunde werden aufgefräst.
Hendricks, zu dem Zeitpunkt bereits Umweltministerin in spe, findet, dass "Hochleistungsschlitzmaschine" statt "GroKo" (Kurzfassung für große Koalition) das Wort des Jahres 2013 hätte werden sollen.

09.30 Uhr: Die Auszähler des SPD-Votums müssen Handys und Kameras in Schließfächern abgeben. Einer ist Julian Müller (19), Juso aus Soest in Nordrhein-Westfalen. "Ich bin ein Gegner der großen Koalition." Er will lieber Rot-Rot-Grün. Neben ihm steht Erich Pommerening (61) aus Kamp-Lintfort. "Ich bin auch dagegen. Aber mit den Chaoten von den Linken kann man nicht regieren, sorry."

12.15 Uhr: Verwirrung um Ursula von der Leyen (CDU). "Bild.de" meldet, die 55-Jährige solle Innenministerin werden, die "Süddeutsche Zeitung" berichtet wenig später hingegen, von der Leyen solle das Verteidigungsministerium von Thomas de Maizière übernehmen.

14.40 Uhr: 400 SPD-Helfer schreiten nach vorne zur Bühne. Sie klatschen, es gibt La-Ola-Wellen. Die aus ganz Deutschland angereisten SPD-Mitglieder haben stundenlang ziemlich viele Ja-Stimmen zur "GroKo" gezählt. Dann gibt es hinten Bewegung.

14.46 Uhr: Es ertönen "Sigmar, Sigmar"-Sprechchöre. Eingerahmt von der SPD-Spitze schreitet Gabriel durch das Spalier der Helfer.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft klatscht Genossen ab, SPD-Vize Manuela Schwesig reckt beide Daumen hoch.

14.47 Uhr: Es wird ruhig. Gabriel geht ans Mikrofon, redet vom "Fest innerparteilicher Demokratie", vom Vorbild für andere Parteien. Getreu Willy Brandts Worten habe die SPD mit der Befragung der Mitglieder zur großen Koalition mehr Demokratie gewagt. "Eigentlich ein schönes Geburtstagsgeschenk für die SPD und für Willy Brandt", sagt er. Der erste SPD-Bundeskanzler wäre Mittwoch 100 geworden.

14.57 Uhr: Schatzmeisterin Hendricks ergreift als Vorsitzende der Mandatsprüfungs- und Zählkommission (MPZK) das Wort. 369 680 Stimmen seien abgegeben worden, wegen vieler vergessener eidesstattlicher Erklärungen aber nur 337 880 Stimmen beim Mitgliedervotum gültig. Donnernder Applaus für die Beteiligung von 77,86 Prozent.

14.59 Uhr: Die Bundesrepublik bekommt die dritte große Koalition nach 1966 und 2005. Im Stile einer Buchhalterin verkündet Hendricks:
256 643 Ja-Stimmen. 75,96 Prozent Zustimmung zur großen Koalition.

15.00 Uhr: Die neue Familienministerin Manuela Schwesig winkt, der Wieder-Außenminister Frank-Walter Steinmeier strahlt, Gabriel, neuer Wirtschafts- und Energieminister, ist gerührt. Nahles, nun Arbeitsministerin, wirkt erleichtert. Der Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fehlt. Die SPD feiert eine Koalition, die sie nie wollte.
"Jetzt wird es auch mal Zeit, dass Weihnachten ist", sagt Gabriel.

15.16 Uhr: Kanzlerin Merkel (CDU) gratuliert Gabriel und der SPD.
Und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärt: "Wir freuen uns, dass nun die gemeinsame Regierungsarbeit zügig beginnen kann."

18.18 Uhr: Eine Pressemitteilung mit Betreff "Ressortverteilung" wird verschickt. Union und SPD teilen mit, wie sie das Kabinett aufteilen. Die Namen sind noch offen, die meisten aber schon bekannt. Es gibt ein neues Ministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Verbraucherschutz wandert zu Justiz, Bau in das Umweltministerium.

Sonntag, 11.45 Uhr: Die CSU-Besetzungen sickern durch. Gerd Müller soll Entwicklungsminister werden. Hans-Peter Friedrich (CSU) wechselt vom Innen- an die Spitze des Agrarressorts. Alexander Dobrindt wird Minister für Verkehr und Digitale Infrastruktur. Peter Ramsauer ist außen vor. Auch klar: CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wird neuer Gesundheitsminister, Johanna Wanka (CDU) bleibt Bildungsministerin.

12.40 Uhr: Nachdem Ronald Pofalla den "Höllenjob" als Chef des Kanzleramts nicht weiter macht, soll es nun der bisherige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) richten, wird bestätigt. Er wird sich nun umstellen müssen. Neuland für ihn: Tagelang schweigt er neuerdings in dem von ihm so geliebten Kurznachrichtendienst Twitter.

13.07 Uhr: Da steht sie nun, die neue SPD-Ministerriege, und gibt Sigmar Gabriel Rückendeckung. Der SPD-Chef verkündet, was alle längst wissen. Sechs Minister in der "GroKo" werden die "Roten" stellen. Mit Aydan Özoguz als Staatsministerin für Migration wird zudem erstmals eine Frau mit türkischen Wurzeln am Kabinettstisch Platz nehmen.

16.50 Uhr: Die ARD weist auf eine spektakuläre Personalie hin, die Gabriel im "Bericht aus Berlin" genannt habe. Das bisherige Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Jörg Asmussen, wird Staatssekretär im Arbeitsministerium.

18.00: CSU-Chef Horst Seehofer sagt, er sehe das neue Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur als zentrales Ressort. Der neue Minister Dobrindt muss ein Konzept für eine Maut erarbeiten, die deutsche Autofahrer nicht mehr belasten soll. "Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht", gibt Seehofer den Maut-Zweiflern mit auf den Weg.
Dann tritt in Berlin die Kanzlerin vor die Kameras - und beschließt das "GroKo"-Wochenende. Am Dienstag beginnt die Arbeit.

Mehr zum neuen Kabinett

(dpa)
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