Nach Wikileaks-Enthüllungen So reagiert das politische Berlin

Berlin (RPO). Nach der Enthüllung kritischer Bewertungen der US-Botschaft über Kanzlerin Angela Merkel und andere Kabinettsmitglieder bemüht sich die Bundesregierung um Schadensbegrenzung.

Was in den Wikileaks-Dokumenten über die Politiker der Welt steht
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Was in den Wikileaks-Dokumenten über die Politiker der Welt steht

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Die Veröffentlichung auf der Plattform Wikileaks belaste deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht, versicherte Sprecher Steffen Seibert am Montag. Der selbst wenig schmeichelhaft beschriebene Außenminister Guido Westerwelle (FDP) spielte die Bedeutung der Aussagen ebenfalls herunter.

Wikileaks hatte am Sonntag rund 250.000 teils vertrauliche Dokumente des US-Außenministeriums ins Internet gestellt. Nach einer Auswertung des "Spiegel" wird Merkel unter anderem als risikoscheu und wenig kreativ beschrieben, Westerwelle als aggressiv und überschäumend, CSU-Chef Horst Seehofer als unberechenbar. Einige Informationen und Einschätzungen sollen der Botschaft von einem jungen FDP-Politiker geliefert worden sein.

"Das ist so unbedeutend"

Westerwelle bestritt dies. Er glaube nicht an einen solchen FDP-Maulwurf, der Details aus den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen 2009 an die Botschaft übermittelt haben soll. Über seine eigene Charakterisierung in den US-Depeschen sagte Westerwelle: "Das ist so unbedeutend."

Viel wichtiger sei der Bruch des Datenschutzes. Die Veröffentlichung der Daten sei beunruhigend. Als Konsequenz müsse nun auf deutscher Seite geprüft werden, ob konkrete Anliegen oder Menschen in Gefahr kommen könnten und "welche Vorkehrungen wir treffen müssen, dass das, was vertraulich ist, auch vertraulich bleibt".

Merkels Sprecher Seibert sagte: "Die Auswirkungen auf das deutsch-amerikanische Verhältnis sind vernachlässigenswert." Die Berichte bewegten sich eher "auf dem Niveau des Lästerns". US-Außenministerin Hillary Clinton habe mit Westerwelle telefoniert, zudem sei der US-Botschafter in Deutschland im Bundeskanzleramt vorstellig geworden. Doch bedauere die Bundesregierung generell solche Veröffentlichungen, da die Dokumente illegale an die Öffentlichkeit gelangt seien.

Seehofer tat die Zitate über sich aus der Wikileaks-Veröffentlichung als "typisches Berliner Cocktail-Geschwätz" ab. Darin sei "kein einziges neues Argument, alles schon x-mal geschrieben". Nach Angaben der Staatskanzlei hat der Ministerpräsident erst am Freitag mit US-Botschafter Philip Murphy gefrühstückt.

Auch Verärgerung in Koalition

Einige Koalitionspolitiker ließen aber doch Ärger erkennen. Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz meinte im ZDF, der Flurschaden durch die Veröffentlichung sei beträchtlich. Die Amerikaner müssten Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit zerstreuen. Der FDP-Politiker Patrick Döring legte in der "Passauer Neuen Presse" eine Abberufung von US-Botschafter Murphy nahe. Der ehemalige US-Botschafter John Kornblum sagte im ZDF, die US-Diplomatie sei wegen der Veröffentlichung in einer schweren Krise. Nun müsse neues Vertrauen aufgebaut werden.

Beck fordert Aufklärung

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat in dem Skandal um Wikileaks-Berichte Aufklärung auch auf deutscher Seite gefordert. Nun müsse in Deutschland schnellstens geklärt werden, wer der angebliche FDP-Mann sei, der die Daten verraten habe solle, sagte Beck am Montag am Rande seines Besuchs der Mainzer Synagoge. "Nicht nur Amerika hat ein Sicherheitsproblem beim Datenschutz", betonte Beck. Es gebe offenbar auch in Deutschland jemanden, der "aus tiefster Kenntnis heraus" berichtet habe.

Beck selbst ist nach Informationen des Magazins "Spiegel" in den Berichten auf der Internetplattform Thema. "Ich kenne die Dokumente nicht, aber ich tauche da offenbar auf", sagte Beck. Die Berichte stammten aus seiner Zeit als Bundesvorsitzender der SPD. Was darin an Kritik von seiner Seite gegenüber dem amerikanischen Wirtschaftssystem stehe, "dazu bekenne ich mich", sagte Beck.

Er habe gerade der Art und Weise, wie das amerikanische Wirtschaftssystem in der Zeit unter Präsident George W. Bush gehandhabt worden sei, durchaus kritisch gegenüber gestanden, sagte Beck.

Nahles kritisch

Die Opposition ist sich uneins im Urteil über die Veröffentlichung. Linke-Chef Klaus Ernst hält die Enthüllung durch Wikileaks für "absolut richtig".

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte dagegen: "Ich sehe das sehr kritisch." Sie habe den Eindruck, dass sich das Verfahren des Geheimnisverrats über die Internet-Plattform verselbstständigt habe und in erster Linie die Neugier der Menschen befriedigt werde.

Grüne begrüßen Veröffentlichung

Die Grünen haben die Veröffentlichung teils geheimer Dokumente auf der Internetplattform Wikileaks begrüßt. Die Parteivorsitzende Claudia Roth sagte am Montag in Berlin, es handele sich dabei auch um die Ausweitung von investigativem Journalismus. "Demokratie muss Transparenz vertragen", erklärte Roth. Völker- und menschenrechtswidriges Verhalten dürfe nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Roth sagte, bei der Veröffentlichung müsse aber der Schutz von Informanten und Menschen vor Ort gewährleistet sein. Auch müssten private Daten geschützt werden. Die Verwunderung über teils despektierliche Äußerungen über deutsche Politiker kommentierte die Grünen-Vorsitzende mit den Worten, die Botschafter hätten auch die Kommentare deutscher Zeitungen weitergeben können. Da habe auch nichts anderes dringestanden.

(apd/dapd/)
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