Aberkennung der Doktorwürde Sind die Plagiatsjäger parteiisch?

Berlin (RP). Zumeist treffen Internetjäger Politiker von FDP und Union, wenn es darum geht, Doktoren zu enttarnen, die bei ihren Arbeiten geschummelt haben. Was bedeutet es für das Image ihrer Parteien, wenn die Titel ihrer Repräsentanten erschlichen wurden? Wissenschaftler reagieren entsetzt.

Politiker und Plagiats-Affären
18 Bilder

Politiker und Plagiats-Affären

18 Bilder
Foto: dpa, mg lof

Als Karl-Theodor zu Guttenberg unter dem Trommelfeuer der Plagiatsvorwürfe Anfang März die Kraft ausging, verzeichneten die Demoskopen auch bei seiner CSU einen merklichen Einbruch. Bürgerliche Politiker vermuten daher hinter der Serie von Enthüllungen eine Kampagne der anonymen Plagiate-Jäger, die vor allem Union und FDP treffen sollen. Denn die Auswahl der zur Strecke Gebrachten ist schon verblüffend einseitig.

Auch SPD-Mann erwischt

Nach dem Verteidigungsminister von der CSU traf es die Tochter des Ex-CSU-Chefs Stoiber, Veronica Saß, dann die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, zuletzt den FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis. Die Vier haben ihren Titel bereits verloren. Unter verschärftem Verdacht und Überprüfung stehen derzeit der CDU-Politiker Bernd Althusmann, der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai und die FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos.

Auch einen SPD-Mann hat es erwischt — aber Uwe Brinkmann war lediglich Büroleiter eines SPD-Abgeordneten und schickte sich an, in der regionalen Hamburger Politikszene eine größere Rolle zu spielen. Damit ist es nun vorerst vorbei. Er gab, kaum waren die ersten paar Dutzend Fundstellen markiert, auch schon quasi als Schuldeingeständnis seine Doktor-Urkunde an die Hamburger Uni zurück. Die machte jetzt die offizielle Aberkennung des Titels publik. Größere Aufmerksamkeit dürfte der im Rest der Republik Unbekannte damit nicht erreichen.

Also bleibt der Makel vor allem an denen haften, die mit ihrem Titel auf Plakaten für die CSU, die FDP und die CDU warben. Koch-Mehrin kultivierte mit dem "Dr." sogar das Wahlkampf-Image von der "schönen, klugen Frau".

Dass die zur letzten Europawahl bundesweit plakatierte FDP-Spitzenkandidatin nach dem Titel-Verlust zwar ihren Posten als EU-Vizeparlamentspräsidentin abgab, ihr Abgeordnetenmandat jedoch behielt, löst bei Debora Weber-Wulff nur Kopfschütteln aus: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass jemand, der sein Abgeordnetenmandat mit einem Doktortitel erworben hat, das Amt nicht räumt, wenn der Titel entzogen wird", sagt die Berliner Professorin für internationale Medieninformatik.

Für die CSU sah das bei zu Guttenberg ein wenig anders. Sie hatte zwar Verständnis dafür, dass er den totalen Ausstieg aus der Politik wählte. Doch weil sein Sitz im Bundestag mit einem Überhangmandat verbunden war, schrumpften die Christsozialen durch seinen Abgang in ihrer Stärke. Und sie schrumpften auch in den Umfragen. Doch gibt es für diesen Guttenberg-Effekt noch keine Motivations-Analyse.

Umfrageverluste

Es wäre möglicherweise zu kurz gegriffen, den Rückgang der Sympathiewerte für die CSU als Ausdruck des Erschreckens über den beim Abschreiben erwischten Spitzenpolitiker zu werten. Die öffentliche Protestwelle lässt auch den Schluss zu, dass viele Menschen damit nicht einverstanden waren, wie mit Guttenberg umgegangen wurde. Jedenfalls spricht Peter Matuschek, Leiter der Politik- und Sozialforschung bei Forsa, von einem ganz besonderen "Kaliber" im Fall Guttenberg.

Die Umfrageverluste bei Union und FDP in diesem Sommer haben nach Einschätzung des Demoskopen jedoch weniger mit der Plagiate-Diskussion zu tun. "Es ist ein Faktor, aber nur ein kleiner", sagt Matuschek. Vorwürfe und Titel-Aberkennungen führten eher dazu, dass die Parteien selbst mit sich und ihrem Erscheinungsbild unzufrieden seien.

Die Schummel-Geschichten trügen dazu bei, Ansichten über Parteien zu verstärken, auch wenn sie sich nicht direkt in den Umfrageergebnissen und Wahlentscheidungen niederschlügen. "Insofern schaden die Plagiatsvorwürfe dem Ansehen der Parteien."

Ins Visier der Plagiatsjäger

Über direkte und indirekte Wirkungen gehen die Meinungen allerdings auseinander. Die "Plagiate-Jägerin" Weber-Wulff: "Ich kenne mehrere Wissenschaftler, die durchaus FDP gewählt haben in der Vergangenheit und die jetzt entsetzt sind." Sie hätten bei Koch-Mehrin und Chatzimarkakis den Eindruck gewonnen, es sei ihnen nicht um die Qualifikation, sondern zuerst um ihr "Pöstchen" gegangen.

Warum vor allem FDP- und Unionspolitiker ins Visier der Plagiatsjäger geraten, hat vermutlich mit der auffälligen Häufung der Doktoren bei Schwarz-Gelb zu tun. Im Bundestag hat jeder vierte FDP-Abgeordnete einen Titel, bei den Grünen ist ihr Anteil nicht einmal halb so groß. Und von insgesamt 118 Doktortitel-Trägern im Bundestag kommen allein 44,9 Prozent von CDU und CSU.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort