Ex-Vizekanzler zur Fußball-WM Gabriel wirft Deutschland Arroganz gegenüber Katar vor – und erntet scharfe Kritik

Düsseldorf · Wenige Wochen vor Beginn der Fußball-WM in Katar steht das Gastgeberland weiter in der Kritik. Es gibt zahlreiche Berichte über Menschenrechtsverstöße. Doch nun springt Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel dem Wüstenstaat bei.

Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) im Jahr 2019 in Hamburg.

Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) im Jahr 2019 in Hamburg.

Foto: dpa/Axel Heimken

Der ehemalige SPD-Chef veröffentlichte am Samstag mehrere Tweets zum Thema. Darin wirft er Deutschland Arroganz gegenüber Katar vor. Diese sei „zum Kotzen“, so Gabriel, wobei er das zweite Wort nicht voll ausschreibt.

Zur Begründung seines Vorwurfs zieht er historische Vergleiche. Homosexualität sei beispielsweise auch in Deutschland bis 1994 strafbar gewesen. Und: „Meine Mutter brauchte noch die Erlaubnis des Ehemanns, um zu arbeiten. ‚Gastarbeiter‘ haben wir beschissen behandelt und miserabel untergebracht“, schreibt Gabriel auf Twitter.

Weiter heißt es in den Tweets: „Auch wir haben Jahrzehnte gebraucht, um ein liberales Land zu werden. Fortschritt kommt nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt.“ Das gelte eben auch für Katar. Die Vereinten Nationen würden Katar für seine Reformen loben. „Nur wir Deutschen beleidigen es jeden Tag“, so der Ex-Vizekanzler.

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Zudem zieht er einen Vergleich zur Fußball-WM in Mexiko. Gabriel schreibt: „In diesem Land werden pro Jahr etwa 1.000 Frauen ermordet und die Dunkelziffer liegt weit höher. Mal sehen, ob wir mit einem christlich geprägten Land genauso hart ins Gericht gehen wie mit einem muslimischen.“

Doch Gabriels Äußerungen bleiben nicht unbeantwortet. Von mehreren Seiten gibt es scharfe Kritik. So antwortet der Grünen-Politiker Volker Beck: „Gefängnis, Peitschenhiebe, Sklavenarbeit sind keine Folklore! Sie setzen allen Ernstes die Situation von Homosexuellen in Deutschland 1994 mit der von Qatar 2022 gleich?“ Und weiter: „Sie haben doch einen Sprung in der Schüssel mit Ihrer Despotenversteherei.“

Der SPD-Politiker Henning Tillmann greift ebenfalls die historischen Vergleiche von Gabriel auf und schreibt: „Kann mich nicht erinnern, dass 1993 Homosexuelle Angst vor Peitschenhieben haben mussten. Oder dass ‚Gastarbeiter‘ in Deutschland massenhaft gestorben sind. Sigmar, ernsthaft, du kannst doch nicht ernst meinen was für einen Stuss du da in dem Tweet schreibst?“

Der WM-Gastgeber Katar steht seit Jahren wegen seines Umgangs mit der LGBTIQ*-Community und anderer Menschenrechtsverstöße in der Kritik. Wer in Katar etwa seine Homosexualität öffentlich macht, kann mit langjähriger Haft bestraft werden. Beim Bau der Stadien sollen zahlreiche Arbeiter gestorben sein.

Kürzlich hatte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aufgrund der Menschenrechtslage die WM-Vergabe an Katar noch einmal scharf kritisiert. Daraufhin hatte das Land den deutschen Botschafter einbestellt. In den kommenden Tagen will sich Faeser selbst ein Bild von den Bedingungen vor Ort machen.

(hebu)
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