Euro und Energie Sigmar Gabriel will auch bei Finanzen mitmischen

Paris · Als Energieminister hat Sigmar Gabriel einen beachtlichen Start hingelegt. Um die Wirtschaftskompetenz der SPD dauerhaft zu stärken, muss er aber auch bei Euro und Finanzen Profil zeigen. Jetzt war der Vizekanzler zum Antrittsbesuch in Paris.

Das ist Sigmar Gabriel
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Das Timing zwischen Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel passt von Anfang an. Der Himmel über Paris ist wolkig bis heiter, als im Abstand von nur fünf Minuten der echte Finanzminister und der Vielleicht-Finanzminister aus den Koalitionsverhandlungen auf dem Flughafen Le Bourget landen. Eigentlich wollten die beiden gemeinsam zum deutsch-französischen Wirtschaftsrat fliegen. Doch dann reiste Gabriel nach dem SPD-Sonderparteitag aus organisatorischen Gründen mit einer separaten Maschine an.

Mit Blaulicht und Tempo 140 rast die Ministerkolonne durch den dichten Berufsverkehr zum klobigen Wirtschaftsministerium in Bercy, wo Gastgeber Pierre Moscovici auf seine deutschen Gäste wartet. Die Begrüßung ist herzlich, auch wenn die Franzosen ein Dutzend südkoreanische Flaggen gehisst haben.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz lässt Gabriel dem erfahrenen Euro-Retter Schäuble den Vortritt. "Wenn der Vizekanzler so befindet, dann fange ich an", meint Schäuble lächelnd. Es geht um die Dauerbrenner Bankenunion und Finanztransaktionssteuer sowie die jüngsten Reformvorschläge von Frankreichs Präsident François Hollande. Die seien in Deutschland ja fast schon euphorisch aufgenommen worden, meint Gabriel, der sich - wie von Hollande angedacht - viele konkrete Energieprojekte zwischen beiden Ländern vorstellen kann.

Moscovici und Schäuble sind bereits ein eingespieltes Team. Sie kennen sich aus dramatischen Euro-Rettungszeiten bestens, sind per Du. "Zwischen Schäuble und mir hat es sofort klick gemacht", sagte der Franzose im "Spiegel"-Interview. Aber auch für Gabriel fand der Reformantreiber unter den regierenden Sozialisten anerkennende Worte. Der SPD-Chef sei politisch eine andere Gewichtsklasse als sein Vorgänger Philipp Rösler, erklärte Moscovici ungewohnt undiplomatisch.

So ist Gabriel in Paris bei allen Themen voll im Film. Für ihn geht es bei dem Vier-Stunden-Kurzbesuch darum, für die SPD auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Flagge zu zeigen. Den Job des Finanzministers wollte er nicht. In der Rolle des Kassenwarts, der das Geld der Steuerzahler zusammenhält und mit klammen Ländern und Kommunen feilscht, sah der SPD-Chef für sich und seine Partei keinen strategischen Vorteil. In den ersten fünf Wochen Schwarz-Rot scheint dieses Kalkül aufgegangen zu sein: Gabriel macht vor allem als Ökostrom-Reformer von sich reden.

Doch auch bei der Lösung der Schuldenkrise, der Stabilisierung von Europas Banken oder den stockenden Gesprächen zum Freihandelsabkommen mit den USA will der Wirtschaftsminister präsent sein. Schließlich soll die SPD spätestens 2017 in Sachen Wirtschaftskompetenz wieder auf Augenhöhe mit der Union wahrgenommen werden.

Im Koalitionsvertrag konnten die Sozialdemokraten bei den Themen Steuern und Finanzen nur wenige eigene Vorstellungen unterbringen. Die Union gewann auch deswegen haushoch die Wahl, weil sie höhere Steuern und neue Schulden ausschloss. Hier hofft die SPD insgeheim, dass die Union noch in die Falle läuft. Sollte Schäuble gezwungen sein, wegen teurer schwarz-roter Projekte das Ziel zu kappen, 2015 im Bundeshaushalt erstmals seit Jahrzehnten ganz ohne neue Schulden auszukommen, wäre die Union blamiert.

Schäuble ist das bewusst: "Wir wären schöne Lumpen, wenn wir unsere Versprechen nach der gewonnenen Wahl nicht halten würden", sagte er gerade der "Bild am Sonntag". Dann ist die Pressekonferenz in Paris-Bercy zu Ende - und die beiden Minister gehen gut gelaunt getrennte Wege. Schäuble muss weiter zu den Finanzministern nach Brüssel, Gabriel wird in Berlin ein Preis verliehen.

(dpa)
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