Desaströse Finanzlage der Kommunen Bürgermeister betteln bei Gabriel

Berlin · Dutzende Stadtchefs und Kämmerer haben sich wegen der desaströsen finanziellen Lage in ihren Kommunen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Fraktionsvertretern getroffen. Die Reise war jedoch eher symbolisch.

 Rund 50 Bürgermeister des Kommunalbündnisses "Für die Würde unserer Städte" demonstrierten am Dienstag vor dem Bundestag in Berlin.

Rund 50 Bürgermeister des Kommunalbündnisses "Für die Würde unserer Städte" demonstrierten am Dienstag vor dem Bundestag in Berlin.

Foto: dpa, bvj pzi

Rund 50 Bürgermeister und Kämmerer vor allem aus Nordrhein-Westfalen haben von der Bundespolitik schnelle Hilfe im Kampf gegen die ausufernden Schulden in ihren Kommunalhaushalten gefordert. Viele Städte könnten ihre Kredite trotz eisernen Sparens niemals zurückzahlen, warnte das Bündnis gestern. Das liege vor allem daran, dass der Bund Kosten auf die Städte und Gemeinden abwälze, kritisierten die Sprecher der Initiative, Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) aus Mülheim und ihr Amtskollege Peter Jung (CDU) aus Wuppertal. "Wird den notleidenden Kommunen nicht konkret geholfen, ist der soziale Frieden in Gefahr", warnten sie.

In Berlin trafen die Kommunalpolitiker Vertreter aller vier Bundestagsfraktionen. Sowohl Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) als auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fanden Zeit für die ungewöhnlich große Abordnung der Kommunen. Bei den Grünen war es die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann, bei den Linken Fraktionsvize Dietmar Bartsch. Doch am Ende kam kaum mehr dabei herum als ein Symbolfoto vor dem Reichstag, bei dem die Kommunalchefs die Ortsschilder ihrer jeweiligen Pleite-Städte in die Kameras halten konnten.

Immerhin: Mönchengladbachs Kämmerer Bernd Kuckels (FDP) empfand die Gespräche als konstruktiv. Man habe nicht auf Granit gebissen. "Die Bundespolitik hat unsere Probleme erkannt", sagte Kuckels. Es gebe nun erste Anzeichen, dass die beiden Chefs der Regierungsfraktionen auch offen für mehr finanzielle Unterstützung noch in dieser Legislaturperiode seien - etwa bei Eingliederungshilfen. Konkrete Zusagen gab es jedoch nicht; weder Kauder noch Oppermann waren für ein Statement erreichbar. Aber es soll eine Generaldebatte im Bundestag zu den Anliegen der Kommunen geben. "Das haben wir als Bündnis als Forderung mitgebracht und erreicht", sagte Remscheids Kämmerer Sven Wiertz (SPD).

Für Unmut sorgte bei Solingens Oberbürgermeister Norbert Feith (CDU), dass kein Minister seiner Partei oder ein Staatssekretär aus dem Innen- oder Finanzministerium Zeit für die Delegation gehabt habe. "Ich hätte mir gewünscht, dass Regierungsmitglieder beider Koalitionsparteien mit uns sprechen wollen", sagte Feith. So blieb es am Abend bei einem Treffen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Dieser eilte anschließend zum Koalitionsgipfel ins Kanzleramt. Für Gabriel ist ein solches Treffen aber allein schon deswegen wichtig, weil er im Wahlkampf ab 2017 den Bürgern nachweisen muss, was die SPD für die Kommunen getan hat.

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sieht in der Aktion des Bündnisses mehr als reine Symbolpolitik. "Ich kann den Aufschrei verstehen", sagte Landsberg. Ihn wundere es zudem nicht, dass unter den Städte-Chefs vor allem Vertreter aus NRW waren. "Das Beispiel der Kassenkredite zeigt die angespannte Lage an Rhein und Ruhr: Insgesamt werden deutsche Städte in diesem Jahr knapp 50 Milliarden Euro an solchen Krediten bei Geldinstituten aufgenommen haben", sagte Landsberg. Allein NRW habe daran einen Anteil von etwa 25 Milliarden Euro. "Das sind 1442 Euro pro Einwohner. In den reicheren Ländern Bayern und Baden-Württemberg liegt dieser Wert pro Kopf bei unter 20 Euro."

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Landsberg appellierte an die Landeschefs, ihre Haushaltspolitik und den kommunalen Finanzausgleich zu überdenken. Der Bund tue mittlerweile bei der Grundsicherung und bei Hilfen für die Unterbringung von Flüchtlingen sehr viel. Er wünsche sich jedoch mehr Umsatzsteueranteile für die Kommunen und bei den Kosten der Unterkunft von Arbeitslosen eine noch höhere Beteiligung des Bundes. "Das Risiko ist hoch, dass die mögliche Entlastung bei den Eingliederungshilfen gar nicht bei den Kommunen ankommt, sondern an den klebrigen Fingern der Landesfinanzminister hängen bleibt", sagte Landsberg.

(jd)
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