Deutliche Worte auf der Sicherheitskonferenz Wie Angela Merkel Donald Trump die Stirn bot

München · Viele mögen sie nach dem Aus als CDU-Parteichefin schon abgeschrieben haben. Doch die Kanzlerin wurde am Samstag auf der Sicherheitskonferenz für eine starke Rede mit Standing Ovations gefeiert. Und die sind in München äußerst selten.

 Angela Merkel während ihrer gefeierten Rede in München.

Angela Merkel während ihrer gefeierten Rede in München.

Foto: AP/Kerstin Joensson

Am Ende ihrer Rede fragt Angela Merkel, wer denn nun die Puzzleteile wieder zusammensetzt, in die die Welt gerade zerfällt. „Nur wir alle zusammen“, antwortet sie. Dann passiert etwas, das völlig ungewöhnlich für die Münchner Sicherheitskonferenz ist: Der Applaus hört nicht wie sonst nach nur wenigen Sekunden auf. Er wird sogar lauter. Im Publikum stehen einzelne, dann immer mehr. Standing Ovations.

So etwas ist bei dem wichtigsten sicherheitspolitischen Expertentreffen der Welt, bei dem das Publikum ausschließlich aus Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern und anderen kritischen Geistern besteht, die absolute Ausnahme. Als der nächste Redner, US-Vizepräsident Mike Pence, gut eine Stunde später seine Rede mit den Worten „Freiheit gewinnt immer“ beendet, ist dann auch schon wieder alles wie immer. Kurzer Beifall. Und weiter geht's im Programm.

Zumindest wenn es nach dem Applaus geht, hat die Bundeskanzlerin das Rededuell also klar gewonnen. Eigentlich sollte sie in München zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über Europa sprechen. Macron sagte aus innenpolitischen Gründen ab. So verschob sich der Schwerpunkt ihrer Rede komplett. Statt zusammen mit Macron redet sie am Samstagvormittag gegen US-Präsident Donald Trump und seinen Gesandten Mike Pence.

Die Kanzlerin erwähnt Trump zwar kein einziges Mal. Aber fast alles was sie sagt, richtet sich an seine Adresse:

- Sie verteidigt das von den USA attackierte Atomabkommen mit dem Iran.

- Sie stemmt sich gegen mögliche US-Strafzölle gegen die deutsche Autoindustrie.

- Sie kritisiert den geplanten Abzug der US-Truppen aus Syrien und den möglichen Rückzug aus Afghanistan.

- Sie lässt die US-Forderung nach noch mehr Verteidigungsausgaben an sich abprallen.

- Und dann nimmt sie auch noch Russland in Schutz: „Geostrategisch kann Europa kein Interesse daran haben, alle Beziehungen zu Russland zu kappen“, sagt sie mit Blick auf die US-Kritik an Nord Stream 2.

Viele mögen Merkel schon abgeschrieben haben, seit sie angekündigt hat, nur noch bis zur nächsten Wahl Kanzlerin bleiben zu wollen. Ihre Nachfolgerin im CDU-Vorsitz, Annegret Kramp-Karrenbauer, sitzt im Publikum. In München zeigt Merkel, dass sie zumindest außenpolitisch noch etwas vorhat. Sie hat sich die Rettung der auf internationalen Regeln und Organisationen basierenden Weltordnung auf die Fahnen geschrieben, die von Trump seit zwei Jahren attackiert wird. „Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen“, sagt Merkel in München.

Auch Pence erwähnt Merkel oder Deutschland in seiner Rede mit keinem Wort. Er formuliert aber Forderungen, die auch oder vor allem an Deutschland gerichtet sind. Die Europäer - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - sollten aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigen und die Nato-Verbündeten noch mehr Geld für Verteidigung ausgeben.

Als Pence vor zwei Jahren wenige Tage nach dem Amtsantritt Trumps zum ersten Mal zur Münchner Sicherheitskonferenz kam, gab er ein Versprechen ab: „Wir werden zu Europa stehen, heute und jeden Tag, weil uns dieselben edlen Ideale zusammenschweißen.“ Seitdem ist das transatlantische Verhältnis Woche für Woche tiefer in die Krise gerutscht. Diesmal forderte der US-Vizepräsident in Sachen Iran dieselbe Solidarität von den Europäern ein, die er ihnen vor zwei Jahren versichert hat. „Die Zeit für unsere europäischen Partner ist gekommen, an unserer Seite zu stehen.“

Merkel war nicht die einzige Opposition, auf die der US-Vizepräsident in München traf. Auch die Trump-Gegner aus den USA waren in München stark vertreten, angeführt von dem möglichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden (76). Der hielt eine Art Bewerbungsrede für das Weiße Haus und versicherte den europäischen Verbündeten, dass es auch ein anderes Amerika gebe. Ein Amerika, das den Klimawandel nicht leugne, Flüchtlinge nicht an der Grenze abweisen wolle und sich aber gegen Diktatoren stelle.

Und dann gab auch Biden den Europäern ein Versprechen: „Ich verspreche Ihnen, auch das geht vorbei. Wir kommen zurück.“ Zu Merkels Rede sagte der Ex-Vize des früheren US-Präsident Barack Obama: „Das war beeindruckend.“

(felt/dpa)
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