Gipfel soll Streit über Laufzeiten klären Showdown im Atomstreit am Sonntag

Berlin (RPO). Nach monatelangem Streit will die Bundesregierung am Sonntag die Weichen für längere Atomlaufzeiten stellen. Kanzlerin Angela Merkel empfängt die Spitzen der Koalition zum Energiegipfel. Doch waren bis Freitag zentrale Fragen ungeklärt: wie viel zusätzliche Betriebszeit verfassungsrechtlich möglich ist, wie viele Milliarden die Atomkonzerne zahlen sollen und ob sie ihre Reaktoren teuer nachrüsten müssen.

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Foto: ddp

Obwohl die zuständigen Ministerien, das Kanzleramt und die Fraktionsexperten bereits die ganze Woche über das geplante Energiekonzept der Regierung verhandelt haben, sind sie offenbar kaum weitergekommen. Es gebe noch keinen Zwischenstand, sagte die Sprecherin des Umweltministeriums, Christiane Schwarte. Medienberichte, wonach es bereits eine Vorentscheidung zur Befristung der geplanten Brennelementesteuer gebe, blieben Spekulation.

Gutachten noch nicht fertig

Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte zudem, das seit Wochen angekündigte Gutachten von Justiz- und Innenministerium sei noch nicht fertig. Es geht darum, welche Verlängerung der Laufzeiten die schwarz-gelbe Koalition ohne Zustimmung des Bundesrats beschließen kann. Denn in der Länderkammer hat sie seit der Wahl in NRW keine Mehrheit. Merkel hat zehn bis 15 Jahre zusätzlich ins Gespräch gebracht - über die derzeit geltende Frist bis etwa 2021 hinaus. Verfassungsrechtler sind uneins, ob eine so lange Ausdehnung ohne die Länder möglich ist.

Unterdessen hat das Bundespräsidialamt einen Zeitungsbericht über eine Vorentscheidung zur Laufzeitverlängerung zurückgewiesen. Das "Handelsblatt" hatte berichtet, dass die Meiler laut einem internen Gutachten der Verfassungsjuristen von Bundespräsident Christian Wulff ohne eine Zustimmung des Bundesrats höchstens neun Jahre länger am Netz bleiben können. Das Amt stellte jedoch klar: "Ein solches Gutachten existiert nicht." Man werde die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen, sobald nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein entsprechendes Gesetz zur Ausfertigung vorgelegt wird.

Trittin warnt vor Verfassungsbruch

Die CSU ist sich dessen sicher. Die Innenexperten Hans-Peter Uhl und Stephan Mayer erklärten: "Eine Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats." Das Präsidialamt dementierte seinerseits einen Bericht, wonach es in einem eigenen Gutachten zusätzliche Laufzeiten von mehr als neun Jahren als verfassungsrechtlich problematisch bezeichne. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warnte die Regierung vor einem Verfassungsbruch.

Interner Vermerk zerpflückt Gutachten

Umweltminister Norbert Röttgen und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle bewerten die Laufzeitfrage aber auch aus energiepolitischer Sicht unterschiedlich: Brüderle hält 12 bis 20 Jahre zusätzlich für günstig, Röttgen hat lange für höchstens acht Jahre plädiert und legt sich inzwischen öffentlich nicht mehr fest. Die Regierung hatte ein umfangreiches Gutachten über Vor- und Nachteile verschiedener Fristen in Auftrag gegeben, um die Einigung voranzubringen. Dieses Papier interpretieren Brüderle und Röttgen aber auch unterschiedlich.

In einem internen Vermerk aus Röttgens Ministerium wird das Gutachten zerpflückt und heftig kritisiert. Rechtzeitig vor den entscheidenden Verhandlungsrunde wurde dies öffentlich. Schwarte sagte allerdings, Röttgen kenne das Papier nicht. SPD-Fraktionsvizechef Ulrich Kelber nahm die Fachkritik trotzdem zum Anlass, die Absage des Energiegipfels zu fordern.

Greenpeace: Ende des Atomzeitalters erst 2053

Die Umweltorganisation Greenpeace rechnete unterdessen vor, dass selbst eine moderate Laufzeitverlängerung um zehn Jahre dazu führen könnte, dass die letzten deutschen Meiler erst 2053 vom Netz gingen. Das wäre dann der Fall, wenn zusätzliche Stromkontingente an alte Meiler gingen, die wegen Sicherheitsauflagen vom Netz müssen. Dann könnten sich die Produktionszeiten neuerer Meiler entsprechend verlängern.

Bei der Mehrheit der Bevölkerung treffen um zehn bis 15 Jahre längere Atomlaufzeiten auf Ablehnung, wie eine ARD-Umfrage ergab. 59 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus, 37 Prozent dafür.

(apd/ddp/bs)
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