Sexueller Missbrauch Wir brauchen eine mächtige Aufklärungskommission

Meinung | Berlin · Fünf Jahre sind vergangen, seit der Skandal um Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche an die Öffentlichkeit kam und eine Lawine anderer Missbrauchsenthüllungen, etwa an der nicht-kirchlichen Odenwaldschule, auslöste.

Wie kann man Kinder vor Pädophilen schützen?
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Foto: dpa, fdt

Nun hat der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, gemeinsam mit Opfern und Experten aus Kirche und Forschung eine Zwischenbilanz gezogen. Was ist seit 2010 geschehen? Wie weit ist die Aufklärungsarbeit gekommen? Rörig und seine Mitstreiter kommen zu einem ernüchternden, teils niederschmetternden Ergebnis.

Bei einer Pressekonferenz heute Vormittag in Berlin sagte Rörig: "Bis 2010 gab es zu oft Verharmlosung und Vertuschung. Die breite Öffentlichkeit konnte sich offenbar nicht vorstellen, in welchem Ausmaß Erwachsene Kinder missbrauchen." Doch noch immer seien viele tausend Mädchen und Jungen schutzlos sexueller Gewalt ausgesetzt. "Es mangelt an finanziell abgesicherten spezialisierten Beratungsstellen und Therapieplätzen bei sexuellem Missbrauch", sagte Rörig weiter.

Doch das scheint nicht das einzige Problem zu sein. Fakt ist: Noch immer liegen nahezu alle Täter-Netzwerke in den betroffenen Kirchen, Gemeinden und Bildungseinrichtungen im Verborgenen. Eine zentrale Aufklärungsstelle gibt es bisher nicht, der Auftrag und das Mandat für eine solch schwierig zu bewerkstelligende Aufgabe sind unklar oder nach wie vor noch nicht vergeben. Und viele Menschen, die als Kinder Opfer sexueller Gewalt von Priestern geworden sind, berichten darüber, dass ihre Fälle dem Vatikan zwar bekannt seien und dort bearbeitet werden sollten, sie aber keine Rückmeldungen auf ihre Fragen bekommen.

Matthias Katsch etwa, der in den 1970er Jahren als Schüler an der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg von den dortigen Haupttätern sexuell missbraucht wurde, wartet seit 1991 — seit 24 Jahren — auf ein Ergebnis der Aufklärungsarbeit in Rom zu seinem Fall. "Bisher ist nichts geschehen", sagt Katsch, der mit anderen Betroffenen die Gruppe "Eckiger Tisch" für die Interessen der Opfer an der Jesuitenschule gegründet hat.

Die Politik, die Bundesregierung hat es nun in der Hand, eine für 2016 geplante "Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch" mit genügend finanziellen Mitteln und einem umfangreichen Mandat auszustatten. Am Freitag wird es dazu im Bundestag einen Antrag der Regierungsfraktionen geben.

Nötig wäre eine Kommission, die die bisher fehlende Debatte um angemessene Ausgleichs- oder Entschädigungszahlungen anschiebt, die so viel Anerkennung bekommt, dass sie in ihrer Aufklärungsarbeit ernstzunehmende Vorladungen an Täter oder deren Netzwerke aussprechen kann, um die Verbrechen aufzudecken.

Und die Ergebnisse ihrer Arbeit müssten in einem Gesetzgebungsprozess aufgefangen werden, der den Schutz von Kindern vor pädophilen Tätern in Institutionen wie Schulen oder Kirchen weiter verbessert. Nur dann bleibt die Politik an dieser Stelle glaubwürdig. Sie darf sich nicht mitschuldig daran machen, sexuelle Verbrechen gegen Kinder nur unzureichend zu bekämpfen.

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