„Da ist mehr im Spiel“ Koch-Mehrin äußert sich zu Kubicki-Anekdote bei „Maischberger“

Düsseldorf · Bei der Talkrunde von Sandra Maischberger ging es am Mittwoch auch um das Thema Sexismus in der FDP. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sorgt mit einer Anekdote für Empörung. Im WDR äußert sich Silvana Koch-Mehrin nun zu der Sache.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki empörte mit einer Anekdote in der Talkshow von Sandra Maischberger.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki empörte mit einer Anekdote in der Talkshow von Sandra Maischberger.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Anlass des Themas in der Sendung vom Mittwoch (12. Oktober 2022) war ein Buch der früheren Bundestagsabgeordneten Silvana Koch-Mehrin, in dem die 51-Jährige über ihre Erfahrungen mit Sexismus und Übergriffigkeit in der Partei berichtet. Moderatorin Sandra Maischberger konfrontiert FDP-Vize Wolfgang Kubicki mit den Vorwürfen seiner Parteikollegin, die sich 2014 aus der Politik zurückzog und zitiert aus dem Buch „Jetzt, wo ich schon mal nicht tot bin“: „Hände auf meinem Knie, ein weicher Griff an die Schulter. Sanfte Rückenmassagen, ungefragt. Hier eine Zote, da eine Anzüglichkeit, ausprobieren, was geht. (...) Würde sie aufspringen, wenn jemand in ihrem Beisein sagte: „Ich habe nichts gegen Frauenbewegungen. Hauptsache die sind rhythmisch? (...) Ich blieb. Härtetest bestanden. (...) So war die Stimmung als ich anfing. Das, was man Klima in der Partei nennt“.

Ob dies das Klima in der Partei gewesen sei, fragt Maischberger den FDP-Vize, oder ob das heute noch so sei. Kubicki könne nicht nachvollziehen, was Frauen in der FDP passiert sei, sagt er. Über ihn hätte sich nie jemand beschwert, das wäre auch komisch. Und weiter sagt er über das Klima in der FDP, es könne sein, dass Frauen das Gefühl hatten, gelegentlich bedrängt worden zu sein. Seit der Übernahme der Partei durch Christian Lindner und ihn sei das komplett abgestellt worden. Kubicki schloss aber nicht aus, dass es so was immer noch geben könne. Das würde aber fatale Konsequenzen haben.

Maischberger hakt nach und zitiert aus einem Interview mit der „Zeit“ im Jahre 2010 und bringt damit den Politiker in Erklärungsnot. Damals sagte Kubicki: „Meine Parteikollegin Silvana Koch-Mehrin habe ich ein einziges Mal angebaggert. Wir saßen in einem Café in Brüssel, weil ich irgendwie auf die Idee gekommen war, sie zu fragen, ob sie FDP-Generalsekretärin werden will. Meine Frage hat ihr geschmeichelt. Deswegen haben wir uns getroffen. (...) Ich lasse also meinen Charme spielen“. Kubicki sei gegangen, als Koch-Mehrins Freund dazugekommen war: „So ist das gelegentlich“, erklärt er daraufhin. „Man flirtet und stellt fest, also der Flirt kommt zurück, aber da steht urplötzlich der Partner da.“ Maischberger hakt noch mal nach: „Angebaggert, weil ich auf die Idee kam, dass sie FDP-Generalsekretärin werden kann?“, fragt sie – „Flirten“, korrigiert Kubicki und rechtfertigt sich, dass er Koch-Mehrin nicht „angebaggert habe wegen Generalsekretärin“.

Maischberger erinnert den Politiker daran, dass er vorher gesagt habe, sowas sei nicht mehr denkbar in der FDP. Flirten sei immer noch denkbar in der FDP, entgegnet daraufhin Kubicki und macht deutlich, dass für ihn Anbaggern und Flirten das gleiche bedeute. „Und man verlässt wortlos das Café, wenn der Kerl auftaucht?“, fragt Maischberger noch mal nach. Kubicki gibt daraufhin noch mal den Vorfall wieder. Flirten fände er heute nach wie vor in Ordnung und fügt zum Schluss noch an: „Fragen Sie mal Silvana Koch-Mehrin. Daran hat sie nichts Anstößiges gefunden“.

Zum Auftritt ihres Parteikollegen hat sich Silvana Koch-Mehrin am Freitag (14. Oktober) im WDR geäußert. Es gehe ihr nicht darum, einzelne Personen bloßzustellen, „das lenkt irgendwie ab“. Kubickis Verhalten habe sie damals nicht als problematisch wahrgenommen, und genau das sei das Problem. Sie habe in der Situation vor 20 Jahren ihren Mann gebeten, dazuzukommen, weil sie vermutete „da ist mehr im Spiel“, so Koch-Mehrin im WDR. Was sie damals als „gewieft und schlau“ ansah, empfindet sie heute als „absurd“, dass eine Frau im 20. Jahrhundert darauf zurückgreifen müsse, von einem Mann geschützt zu werden.

Auch auf Twitter empörten sich die Nutzer über die von Kubicki geschilderte Anekdote. Dabei ging es auch um die vermeintliche Gleichsetzung der Begriffe „Flirten“ und „Anbaggern“.

„#Kubicki zu @maischberger: "Ich weiß nicht, wie Ihr Sprachgebrauch in Berlin ist, aber in Schleswig-Holstein heißt 'anbaggern' flirten." Also unweit von SH, in Hamburg, heißt "anbaggern" anmachen, also jemandem einseitig Avancen machen - egal, ob die Person diese erwidert“, schreibt eine Nutzerin und eine andere bemerkt: „Er spricht von anbaggern von flirten, sie wurde nicht gefragt. Es ist kein Flirt, wenn es um die berufliche Karriere geht und ein Machtgefälle besteht. Das ist Machtmissbrauch. Es ist ekelhaft.“

Nach der Sendung und den Sexismusvorwürfen gegen ihn auf den sozialen Netzwerken kritisierte der FDP-Politiker gegenüber dem Magazin „Spiegel“ seinerseits die Sendung als „unseriös und journalistisch unprofessionell“ und bezog sich darauf, es sei ihm unterstellt worden, er hätte gegenüber der Kollegin Koch-Mehrin eine Machtposition ausgenutzt. Dabei sei er als Fraktionsvorsitzender im Landtag von Schleswig-Holstein gar nicht in der Position gewesen, Koch-Mehrin damals etwas zu versprechen. Kubicki bezeichnete es als „schlechtes journalistisches Handwerk“, solch einen Zusammenhang herzustellen.

Ein Nutzer äußerte ebenfalls Kritik an der Sendung und schreibt: „Der Punkt kommt mir nicht genug heraus: Es geht nicht nur um das unsägliche Verhalten an sich, sondern darum, dass ein Gespräch wegen eines Amtes abgebrochen wurde, weil der Freund auftauchte. Da wurde also klar Sexualität mit Amtsvergabe verknüpft“.

(dw/toc)
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