SPD feiert Wahlsieg in Mecklenburg-Vorpommern Sellering lässt die anderen zappeln

Düsseldorf (RPO). Die SPD frohlockt. So deutlich gewinnen die Sozialdemokraten nur noch selten. Nach Olaf Scholz in Hamburg haben sie nun auch einen strahlenden Sieger im Nordosten Deutschlands, in Mecklenburg-Vorpommern. Ihr neuer Star heißt Erwin Sellering. Er hat der Landes-SPD neues Leben eingehaucht. Nun kann er sich genüsslich den Koalitionspartner aussuchen.

 Wahlsieger Erwin Sellering lässt sich von seinen Anhängern feiern. "Wir haben es geschafft, weil wir zusammengehalten haben", sagte er zum Erfolg er SPD.

Wahlsieger Erwin Sellering lässt sich von seinen Anhängern feiern. "Wir haben es geschafft, weil wir zusammengehalten haben", sagte er zum Erfolg er SPD.

Foto: dapd, dapd

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Am Sieg der SPD in McPomm war schon noch Bekanntgabe der ersten Prognose nicht mehr zu zweifeln. Die regierenden Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) kamen demnach laut ARD auf 36,6 Prozent und legten beachtliche 6,4 Prozent zu.

Das eigentlich Entscheidende: Sie liegt damit weit vor den Konkurrenten. Keiner kann auf Augenhöhe mit den Sozialdemokraten mithalten. Die bislang mitregierende CDU kam auf 23,8 Prozent, die Linke bei 17,2 Prozent, die Grünen — erstmals vertreten im Schweriner Landtag - bei 8,4.

Die Linken müssten sich strecken

Die SPD ist damit nicht nur unumstrittener Wahlsieger, sondern sich nun genüsslich ihren Koalitionspartner aussuchen und die möglichen Partner in den Verhandlungen gegeneinander ausspielen. Die besten Chancen hat dabei sicher die CDU mit dem amtierenden Innenminister Lorenz Caffier (C wie Zukunft). Die Partner der vergangenen Legislaturperiode haben sich gut verstanden und sind im Wahlkampf auffallend schonend miteinander umgegangen.

Die Linke müsste sich schon weit strecken, um sich als Partner attraktiv zu machen, den Grünen hat Sellering bereits zu verstehen gegeben, dass er mit einer knappen Mehrheit nicht regieren will. Ob es für die beiden zusammen zu einer absoluten Mehrheit reichen würde, steht vermutlich erst am 18. September statt, wenn auf Rügen nachgewählt wird. Ein Kandidat war verstorben, darum wurd dort der Urnengang verschoben. Am Wahlabend selbst oszillierten die Grünen zwischen 8,2 und 8,4 Prozent, die Zahl der Abgeordneten pendelte zwischen sieben und acht. Ob es also überhaupt für eine eigenständige Mehrheit von Rot-Grün reichen würde, ist derzeit völlig offen.

Druck auf alle möglichen Partner

Der alte und neue Ministerpräsident Erwin Sellering ließ die Landespolitik unmittelbar nach seinem Wahlsieg wissen, die SPD werde mit allen sprechen und ausloten, mit welchem Partner die beste sozialdemokratische Politik möglich sei. Auch eine Koalition mit der Linkspartei schließe er zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus, will bei der Partei aber "ganz genau hinschauen.

"Da gibt es Wahlversprechen, die so nicht finanzierbar sind", sagte Sellering in der ARD. Dabei vergaß er freilich nicht, auch gegenüber dem anderen möglichen Partner den Druck aufrechtzuerhalten. Denn auch beim bisherigen Koalitionspartner CDU gebe es "Knackpunkte", sagte Sellering und nannte als ein Beispiel die Einführung eines Mindestlohns.

Sellering hat den Trend in drei Jahren umgedreht

So oder so: Die Zügel in der Hand haben die Sozialdemokraten. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst von Erwin Sellering. Die Landtagswahl in Mecklenburg war auch eine Personenwahl. 39 Prozent derjenigen, die SPD gewählt haben, machten ihr Kreuzchen wegen Sellering. Damit erzählte der Mann, der eigentlich aus Westfalen stammt, bessere Sympathiewerte als sein Vorgänger Harald Ringstorff, dessen Amt er im Oktober 2008 mitten während der laufenden Legislaturperiode übernahm.

Seitdem hat seine SPD aus den Umfrage-Niederungen zurück an die Spitze der Wählergunst geführt. Wieder sprechen die Zahlen für sich: Denn damals lagen die Sozialdemokraten unter 20 Prozent, weit abgeschlagen hinter der CDU und der Linkspartei. Die Verhältnisse haben sich seit dem Amtsantritt Sellerings umgedreht in Mecklenburg-Vorpommern.

Wohl kein Modell für den Bund

Die Bundes-Partei ist nun voll des Lobes über ihren neuen Gewinner. SPD-Chef Sigmar Gabriel wertete hat den Erfolg seiner Partei unumwunden als Verdienst von Sellering. Der starke Zugewinn für die SPD zeige, "Leistung lohnt sich auch in der Politik". Seine Partei habe mit einem alten Rezept gewonnen, der Kombination aus wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung. In die Koalitionsverhandlungen will die Bundesebene Sellering nicht hineinpfuschen.

Ob sich aus dem neuen Erfolgsmuster Erwin Sellering ein Erfolgsmuster für die Bundes-SPD ableiten lässt. Bleibt allerdings höchst fraglich. Die Verhältnisse in Mecklenburg Vorpommern sind speziell. Die Zahl von gerade einmal 1,4 Millionen Wahlberechtigten lässt es noch zu, dass in gerade einmal drei Jahren den Stimmenanteil einer Partei auf hohem Niveau verdoppelt. Auf Bundesebene sieht die Sache schon anders aus.

Wer mit wem?

Zudem scheint es weniger ein klares politisches Handlungsmuster zu sein, das Sellering seiner Erfolge ermöglichte, sondern sein geschickter Umgang mit der Öffentlichkeit. Die Herzen vieler Menschen im Nordosten eroberte er durch seine aufsehenerregende These, die DDR sei kein "Unrechtsstaat" gewesen und durch seine Heirat mit einer Ostdeutschen. In seiner Politik besetzt er populäre Positionen: Wenn es um Kindergärten, Mindestlohn oder Hartz IV geht, steht er innerhalb der SPD eher links. Wenn es um Sicherheit und Ordnung geht, dann wohl eher rechts.

So lässt auch Sellerings politisches Profil die Wahl des Koalitionspartners nicht einfacher werden. Sellering, das scheint sicher, kann mit jedem bis auf die NPD. Am Sonntag ließ die Bundes-SPD noch wissen, sie werde dem Wahlsieger freie Hand bei der Wahl seines Koalitionspartners lassen. Über die Koalition im Schweriner Landtag entscheide Sellering, nicht die SPD-Zentrale in Berlin, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Sonntagabend im ZDF.

Doch etwa Rot-Grün?

Doch fest steht auch: Rot-Grün wäre für die SPD nicht ohne Reiz. Denn bundesweit wäre eine Neuauflage des Bündnisses die derzeit perspektiventrächtigste Option, wieder an die Macht zu kommen. Schon behaupten Politik-Kenner wie Stefan Aust im NDR, in Schwerin werde es Rot-Grün geben.

Dass Sellering das Szenario Rot-Grün bislang nicht ernsthaft diskutierte, ist augenscheinlich auf den überraschend großen Erfolg der Öko-Partei zurückzuführen. Bisher war sie gar nicht im Landtag vertreten, nun macht sie sich auf, mit 8,4 Prozent das bisher beste Ergebnis der Grünen in Ostdeutschland einzufahren. Damit hat wohl selbst ein Fahrensmann wie Sellering nicht gerechnet.

CDU-Kandidat hadert mit dem Bundestrend

Während sich nun die SPD im Siegesjubel verausgabt, bemühen sich andere in der Schadensanalyse. CDU-Spitzenkandidat Caffier führte das Wahlergebnis unter anderem auf den Bundestrend zurück. Die Reformbemühungen der vergangenen Jahre seien bei den Bürgern nicht gut angekommen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, räumte ein, dass die bundespolitische Lage "alles andere als einfach" sei. Dennoch gebe es für die bisherige große Koalition in Schwerin eine eindeutige Mehrheit. "Und deshalb setzen wir darauf, dass der Wählerwille auch respektiert wird", sagte Altmaier.

Linke-Spitzenkandidat Holter zeigte sich ebenfalls enttäuscht: "Wir wollten richtig zulangen, wir wollten mehr erreichen. Aber scheinbar war der Bundestrend nicht auf unserer Seite." Mauerbau-Debatte und innerparteiliche Streitereien hätten nicht unbedingt dazu beigetragen, deutlich zuzulegen. Dennoch sei Rot-Rot möglich. Die Linke sei dazu bereit, es liege jetzt an der SPD.

Grüne freuen sich über "Sensation"

Die Grünen-Spitzenkandidatin in Mecklenburg-Vorpommern, Silke Gajek, ließ sich derweil von ihren Anhängern feiern. "Grün ist drin", rief Gajek der jubelnden Menge in Schwerin zu. Gajek betonte: "Wir haben in Ostdeutschland den Rekord aufgestellt." Gajek forderte ihre Parteikollegen auf, nun richtig zu "ackern": "Wir Grünen stehen für Nachhaltigkeit und das wollen wir im Landtag unter Beweis stellen."

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir wertete das Abschneiden seiner Partei als "wahre Sensation". Das Ergebnis gebe Rückenwind für den Kommunalwahlkampf in Niedersachsen und die Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Ein Wermutstropfen sei jedoch, dass die rechtsextreme NPD voraussichtlich auch in den Landtag einziehe.

mit Agenturmaterial

(AFP, dapd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort