Fragen und Antworten zum neuen Selbstbestimmungsgesetz Wie die Ampel den Geschlechtswechsel ermöglichen will

Berlin · Wer sich nicht mit seinem biologischen Geschlecht identifizieren kann, soll den Eintrag dazu künftig unkompliziert im Standesamt ändern können. Es ist ein Schritt für mehr Selbstbestimmung, der gleich von zwei Seiten Kritik erntet. Für die einen geht das Gesetz zu weit – für andere nicht weit genug.

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Foto: picture alliance / Bildagentur-o/dpa

Einen Eindruck davon, wie hitzig die Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz noch werden dürfte, konnten sich Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch höchstpersönlich machen. Einzelne Frauen, die gegen das Gesetz sind, störten ein Statement der beiden Ampel-Politiker vor dem Kanzleramt mit lauten Zwischenrufen.

Doch die Minister ließen sich nicht aus dem Konzept bringen und verteidigten stattdessen ihr Vorhaben. „Mit dem Selbstbestimmungsgesetz verwirklichen wir das Recht jedes Menschen, in seiner Geschlechtsidentität geachtet und respektvoll behandelt zu werden“, sagte Lisa Paus zum Entwurf, den das Kabinett nun beschlossen hat. Marco Buschmann erklärte, das Gesetz sei „Ausdruck einer Politik, für die die Grundrechte an erster Stelle stehen“.

Worum geht es beim Selbstbestimmungsgesetz?

Die geplante Regelung richtet sich an transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Wer sich mit seinem biologischen Geschlecht nicht identifizieren kann – oder mit dem, das in der Geburtsurkunde steht –, soll Vornamen und Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch einen einfachen Antrag beim Standesamt ändern können. Drei Monate nach der Erklärung soll die Änderung dann wirksam werden. Bei Minderjährigen ab 14 Jahren müssen die Sorgeberechtigten zustimmen. Nach der Änderung gilt eine einjährige Sperrfrist. Inkrafttreten soll das Selbstbestimmungsgesetz im November 2024.

Warum kommt die Änderung?

Das Bundesverfassungsgericht hat das bisher noch gültige, allerdings in vielen Teilen entschärfte „Transsexuellengesetz“ in der Vergangenheit mehrmals als verfassungswidrig eingestuft. Die Änderung ist eines der zentralen gesellschaftspolitischen Vorhaben der Ampel – für Betroffene, so die Koalition, wäre sie ein riesiger Fortschritt. Bisher mussten diese Menschen zwei Gutachten von Sachverständigen vorzeigen, um den Wunsch für eine Änderung des Geschlechtseintrags zu belegen.

Wo wurde noch nachgebessert?

Der Entwurf geht auf Bedenken des Bundesinnenministeriums ein und ermöglicht Sicherheitsbehörden, die Identität von Personen nachzuverfolgen. Damit soll verhindert werden, dass Kriminelle ihren Namen ändern und leichter untertauchen können. Grundsätzlich bleibt es aber bei einem Offenbarungsverbot, um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen. Außerdem steht nun fest, dass das Selbstbestimmungsgesetz das private Hausrecht und die Vertragsfreiheit unberührt lassen wird. Zuvor hatte es Diskussionen darum gegeben, ob Schutzorte für Frauen wie etwa Frauenhäuser generell auch für Transpersonen geöffnet werden müssen.

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Gibt es aus den Ampelparteien auch kritische Stimmen?

Die Grünen-Politikerinnen Tessa Ganserer und Nyke Slawik erklärten, das Gesetz stärke die „fundamentalen Grundrechte von trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen“. Allerdings sprachen sie sich auch für Änderungen aus. So wollen sie unter anderem einen Verzicht auf die dreimonatige Anmeldefrist erwirken. Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), zeigte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur kritisch zum weiteren Zeitplan. „Es muss geprüft werden, ob ein Inkrafttreten beschleunigt werden kann. Die Betroffenen haben lange genug gewartet“, sagte er.

Was sagt die Opposition?

Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings kritisierte, das Gesetz schaffe keine Rechtssicherheit, sondern maximale Verunsicherung. Als „besonders verantwortungslos“ bezeichnete es Krings, dass nicht einmal für Kinder und Jugendliche eine Beratungspflicht vor Änderung des Geschlechtseintrags geplant sei. „Diese Beliebigkeit passt nicht zur Bedeutung des Geschlechts in unserer Rechtsordnung“, sagte Krings. Kathrin Vogler, queerpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, sprach zwar von einer deutlichen Verbesserung, die das Gesetz mit sich bringe. Viele einschränkende Regelungen spiegelten allerdings „den Geist des Misstrauens gegenüber den Betroffenen wider“, kritisierte sie.

Wie reagieren Verbände?

Während das Gesetz aus Sicht der CDU gar nicht erst kommen sollte, geht es für einige Interessengruppen zu langsam und nicht weit genug. „Wir kritisieren das späte Inkrafttreten im November 2024 und transfeindliche Narrative im Kabinettsentwurf, die besonders Transfrauen unter Generalverdacht eines gewaltvollen Verhaltens stellen“, sagte Beate von Miquel, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats. Die Passagen müssten geändert werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Gesetz soll nun ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Es könnte vom Bundestag noch im laufenden Jahr verabschiedet werden. Es soll aber erst im November 2024 in Kraft treten – weil die Ämter eine längere Vorbereitungszeit brauchen.

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