Kommentar zum Lindner-Vorstoß Eine faire Chance auf Asyl muss auch in Afrika möglich sein

Meinung | Düsseldorf · FDP-Chef Christian Lindner will die Seenotrettung verstaatlichen und Flüchtlinge auch zurück nach Afrika bringen und dort ihr Asylbegehren prüfen. Im Prinzip eine sinnvolle Idee. Mit einer gewichtigen Ausnahme.

Ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer (Symbolbild).

Ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer (Symbolbild).

Foto: dpa/Fabian Heinz

Eigentlich ist beim Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer der gesunde Menschenverstand der beste Ratgeber (und nicht der ausländerfeindliche Hass oder die Alle-sollen-kommen-Ideologie). Wenn man diesen Maßstab anlegt, kann es für zivilisierte europäische Demokratien, die sich ihrer christlich-jüdischen Tradition und den Prinzipien der Aufklärung und des Humanismus gewiss sind, keine Alternative zu der Rettung von Menschenleben im Mittelmeer geben. Das gilt unabhängig von den Vorgaben des Seerechts zur Hilfeleistung in Not.

Das eine muss man tun, und trotzdem das andere forcieren. Nämlich eine europäische Koordinierung der Migration, die die gefährliche Flucht mit dubiosen Schleppern unattraktiver werden lässt. Dies gelingt nur, wenn es menschenwürdige Unterbringungen in Nordafrika gibt und dort auch eine echte und faire Chance auf Asyl in Europa.

Insofern hat Christian Lindner völlig recht. Eine staatliche Seenotrettung ist das beste Rezept gegen das Sterben im Mittelmeer. Sodann müssten die Geretteten aber auch in Transitzentren an der nordafrikanischen Küste gebracht werden können, wo eine schnelle und ernsthafte Asylprüfung (aber eben notfalls die direkte Rückführung) stattfinden kann. Nur so lässt sich Recht umsetzen und die bisher ungelöste Problematik der gescheiterten Rückführungen etwa aus Deutschland bekämpfen. Diese Zentren können natürlich an der Küste Griechenlands, Italiens oder Malta stehen, aber eben auch in Tunesien oder anderen nordafrikanischen Staaten. Nur nicht in Libyen, der Umgang mit Migranten dort ist brutal und menschenunwürdig. Berichte der Betroffenen und brisantes Videomaterial dokumentieren einen unvorstellbaren Hass der libyschen Milizen, aber auch der Mitarbeiter der libyschen Küstenwache auf die Migranten. Libyen kann kein Partner für die Europäische Union sein. Andere Länder vielleicht schon.

Eine konzertierte Aktion bei der Koordinierung der Migration bleibt ohne Alternative. Wenn die Europäische Union in ihrer Budget-Planung die Bemühungen der Mitgliedsstaaten bei der Versorgung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen spürbar finanziell würdigt, dürften sich auch mehr Staaten zu einem Konsens bereit erklären. Europa muss Verfolgten und Schutzbedürftigen einen dauerhaften Aufenthalt in Sicherheit bieten. Auch das gehört zur europäischen Identität.

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