Hotel-Rechnungen im Zentrum des Interesses Schwierige Beweisaufnahme im Prozess gegen Wulff

Hannover · Wer zahlte wann was? Manche Zeugen konnten sich auch nach fünf Jahren noch hervorragend erinnern an das Oktoberfest 2008, andere überhaupt nicht. Am zweiten Tag des Prozesses gegen Ex-Bundespräsident Wulff hat das Gericht erste Zeugen vernommen.

Christian Wulff beim Prozessauftakt
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Die Nobelherberge Bayerischer Hof in München wirbt für sich mit einem anspruchsvollen Slogan: Eine Welt für sich. Frank Rosenow hat sich offensichtlich vorgenommen, dieser fremden Welt inklusive ihrer verwirrenden Preisgestaltung für Zimmer und Suiten auf den Grund zu gehen.

Ob der Filmmanager David Groenewold im September 2008 tatsächlich ohne Wissen von Christian Wulff Teile von dessen Hotelrechnung bezahlt haben kann, dazu befragte der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Hannover am Donnerstag gleich vier Zeugen.

Bereits am zweiten Tag des Korruptionsprozesses gegen den früheren Bundespräsidenten wurde deutlich: Die Wahrheitsfindung wird mühselig, fünf Jahre nach dem gemeinsamen Besuch von Groenewold und Bettina und Christian Wulff erinnern sich Zeugen nur noch unvollständig daran, wie der Filmmanager Teile der Wulffschen Hotelrechnung auf sein Zimmer umschreiben ließ.

Die München-Visite und ein gemeinsamer Besuch beim Oktoberfest, wo Groenewold auch Prominenz wie den Verleger Hubert Dietrich Burda und dessen Ehefrau Maria Furtwängler aushielt, bilden das Fundament der Anklage. Es geht um knapp 720 Euro und den Vorwurf, im Gegenzug habe sich Wulff beim Siemens-Konzern für die finanzielle Förderung eines Filmprojekts von Groenewold eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Vorteilsannahme beziehungsweise -gewährung.

Klar wird durch die Zeugenaussagen zunächst, dass so ein Nobelhotel wie der Bayerische Hof Wert auf Prominenz legt. So bekam Wulff im Januar 2010 offenkundig einen kräftigen Prominentenrabatt. Er erhielt eine eigentlich 1900 Euro teure Suite beim Besuch des Münchener Filmballs für rund 300 Euro. Zitiert wurde vor Gericht eine handschriftliche Notiz auf der entsprechenden Reservierung: "Weil für das Hotel wichtig".

Die Affäre Christian Wulff
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Foto: dpa, wk cul jol

Deutlich wird am Donnerstag aber auch, dass es so gewesen sein kann, wie es die Angeklagten geschildert haben: Groenewold will ohne Rücksprache mit Wulff einen Teil der strittigen Rechnung vom Herbst 2008 übernommen haben. Und zwar, weil wegen des Oktoberfestes der Preis viel höher gewesen sei als von ihm ob früherer Übernachtungen erwartet, wie der Filmmanager in den Vernehmungen im Vorfeld des Prozesses erläutert hatte.

Die Staatsanwaltschaft aber ließ sich so leicht nicht überzeugen und präsentierte am Donnerstag ein Dutzend Rechnungen früherer Aufenthalte Groenewolds in dem Fünf-Sterne-Hotel - ebenfalls alle mit saftigen Preisen.

Zum Prozessauftakt hatte Wulff noch mit der Staatsanwaltschaft regelrecht abgerechnet. Doch am zweiten Verhandlungstag ist nichts mehr zu spüren von der feindseligen Stimmung, die vor einer Woche herrschte. Sogar der Ex-Präsident muss einige Male lachen, als es um Details der Behandlung von VIPs in der Nobelherberge geht, um das verwirrende Buchungssystem mit seinen zahllosen Kürzeln. Oder auch, als ein Zeuge gefragt wird, ob er mit einem der beiden Angeklagten verheiratet oder verwandt sei oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebe.

Verhandelt wird im Schwurgerichtssaal Hannover im Namen des Volkes aber das zeigte sich wenig interessiert. Kaum die Hälfte der Zuschauerplätze war am zweiten Verhandlungstag noch besetzt. Aber vielleicht wird das ja anders, wenn am 12. Dezember die inzwischen getrennt lebende Ehefrau Bettina Wulff als Zeugin kommt. Für sie hat das Gericht einen ganzen Tag reserviert. Zuvor aber sind Sekretärinnen, Personenschützer und weitere Hotelangestellte geladen.

Eine Kellnerin aus dem Käferzelt auf dem Oktoberfest wird sogar aus Österreich per Videokonferenz zugeschaltet: Wegen eines schweren Bandscheibenvorfalls kann die Frau nicht reisen. Richter Rosenow wird also noch reichlich Gelegenheit bekommen, den Abläufen und Entscheidungswegen eines Luxushotels nachzuspüren und sich ein Bild davon zu machen, wie es in den Promizelten auf dem Oktoberfest so zugeht.

(AFP)
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