Rotstift bei Unterkunftskosten Schwere Zeiten für Hartz-IV-Mieter

Düsseldorf (RPO). Die Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern sind immer wieder ein Streitthema - vor Gerichten und in der Politik. Vor allem die finanziell strapazierten Kommunen werden von den steigenden Ausgaben erdrückt. Deswegen soll nun bei den Unterkünften von Langzeitarbeitslosen der Rotstift angesetzt werden. Widerstand ist garantiert. Eine Neuregelung macht jedoch Sinn.

Fakten und Zahlen zu Hartz IV
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Foto: ddp, ddp

Klagen gegen Hartz IV überfluten nach wie vor die Sozialgerichte. Besonders ein Thema echauffiert die Leistungsempfänger: Mieten, Betriebs- und Heizkosten. Die Richter haben in vielen Fällen darüber zu bestimmen, welcher Wohnraum angemessen und welche Posten in welcher Höhe zu bezahlen sind. Das entsprechende Gesetz legt nämlich nur fest, dass Miete und die weiteren Kosten "angemessen" sein müssen. Was genau angemessen ist, legt zumeist der Sachbearbeiter oder am Ende der Richter fest.

Der Richtwert von 45 Quadratmetern Wohnfläche für eine alleinstehende Person ist es nicht, wenn es nach einer Expertengruppe des Arbeitsministeriums geht. Diese empfiehlt, dass Kommunen künftig selbstständig in Satzungen bestimmen, welche Mietkosten sie Hartz-IV-Empfängern bezahlen. Somit könnte der Wohnungsanspruch für Singles bald auf nur noch 25 Quadratmeter beschränkt werden, berichtet die "Financial Times Deutschland". Das gehe aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor.

Das Problem dahinter: Die Unterkunftskosten werden zum Großteil von den chronisch klammen Kommunen getragen, die nun mit einer Neuregelung entlastet werden sollen. Für diesen Posten werden Städte und Gemeinden nach Angaben des Deutschen Städtetags voraussichtlich 11 Milliarden Euro ausgeben. Der Bund will mit der nun offenbar einen Teil des Problems angehen, ohne selbst zusätzliches Geld in die Hand nehmen zu müssen.

"Hierbei handelt es sich nicht um einen Ansatz, mit dem Einsparungen in einem größeren Umfang realisierbar sind", sagte Rik Steinheuer, Experte für Sozialrecht beim Bund der Steuerzahler NRW, unserer Redaktion. Hinzu kommt: Wenn die Wohnung zu groß oder zu teuer ist, müssen Hartz-IV-Empfänger schon heute innerhalb von sechs Monaten die Kosten senken und gegebenenfalls umziehen. Ein Sprecher des Bundessozialministeriums verwies darafu, dass der Vorschlag nicht auf Kosteneinsparungen, sondern auf Vereinfachung der Vorschriften abziele.

Drastischer Ausgabenanstieg

Ein finanzielles Problem besteht trotzdem. Vor allem der drastische Anstieg der Unterkunftskosten in den letzten Jahren treibt deutschen Kämmerern die Sorgenfalten auf die Stirn. 2005 summierte sich dieser Posten noch auf 8,7 Milliarden Euro. Gleichzeitig plant der Bund, seinen Anteil an den Unterkunftskosten von 26 auf 23,6 Prozent zu senken. "Die Haushalte der Städte werden immer mehr von den Sozialausgaben erdrückt. Diese dramatische Entwicklung muss gestoppt und umgekehrt werden. Sonst droht vielen Städten der finanzielle Ruin", warnte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus bereits im Mai. Der jetzige Vorschlag sei "diskussionswürdig", hieß es in einer Stellungnahme des Städtetags.

Teilweise sind die Probleme hausgemacht. "Bei den Unterbringungskosten von Hartz-IV-Empfängern besteht Handlungsbedarf. In vielen Regionen ist die Übernahme dieser Posten viel zu großzügig", erklärte Steinheuer. So monierte der Bundesrechnungshof im April die großzügige Wohnkostenübernahme in Berlin.

Pauschalen vom Tisch

Eine Pauschalierung der Unterkunftskosten ist ein Lösungsansatz, der bereits vor einiger Zeit von der FDP ins Gespräch gebracht wurde. Demnach könnten sich die Kommunen am Mietspiegel orientieren und Erstattungssätze für die Mieten festlegen. Gleiches würde für Betriebs- und Heizkosten gelten. Ein wesentlicher Vorteil wäre, dass die Leistungsbezieher Anreize hätten, sich nach günstigen Wohngelegenheiten umzuschauen und gleichzeitig Kostendisziplin bei Heizung und Wasserverbrauch zu waren. Diese Lösung ist mit dem neuen Vorschlag offenbar vom Tisch.

Statt dessen sollen die Kommunen nun entsprechende Werte individuell festlegen. Dabei handele es sich um ein "Unding", sagte die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen, Britta Haßelmann, der "FTD". "Damit steigt der Druck auf die Kommunen, die Leistungen in den Satzungen relativ niedrig anzusetzen." Eine weitere Prozesswelle scheint garantiert.

Nur ein "Diskussionsentwurf"

Widerstand gegen die Pläne ist auch jenseits der Politik garantiert. "Die derzeitige Regelung sichert Hartz-IV-Empfängern menschenwürdiges Wohnen. Hier gibt es keine Einsparmöglichkeiten", erklärte Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes, bereits im März - seinerzeit zu den Pauschalierungsplänen. Auch der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen sprach sich dagegen aus. Hartz-IV-Empfänger sind schließlich begehrte Mieter.

"In Ballungszentren könnte weniger Wohnraum angemessen sein, weil Niedrigverdiener sich dort auch weniger leisten können", sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums am Freitag zu DAPD in Berlin. Es handele sich jedoch um einen "Diskussionsentwurf".

Sogar der Städtetag selbst meldet Bedenken an. "Der Wohnungsmarkt ist in vielen Städten so eng, dass günstigere Wohnungen für Langzeitarbeitslose und andere Hilfeempfänger kaum vorhanden sind und deshalb Umzüge in größerem Umfang gar nicht stattfinden können", erklärte Monika Kuban, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetages.

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