Interview mit Botschafter Guldimann Schweiz kritisiert Steuer-CD-Käufe

Düsseldorf · Seit dem erneuten Ankauf von Steuer-CDs durch NRW ist die Debatte um das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz neu entbrannt. Der Botschafter der Schweiz in Berlin, Tim Guldimann, spricht mit unserer Redaktion über die Reaktion in seiner Heimat, Steuergerechtigkeit und die Leistungen seines Landes im Kampf gegen Steuerhinterzieher.

 Tim Guldimann, Botschafter der Schweiz in Deutschland.

Tim Guldimann, Botschafter der Schweiz in Deutschland.

Foto: dpa

NRW ist federführend beim Aufkauf von gestohlenen Bank-Daten aus der Schweiz. Wie kommt das in Ihrer Heimat an?

Guldimann Nicht gut. Anlässlich der Unterzeichnung des Steuerabkommens hat die deutsche Seite erklärt, dass sich die Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden. Das bedeutet nicht, dass eine CD die unaufgefordert im Briefkasten des Finanzamts landet, nicht verwendet werden dürfte.

Das Steuerabkommen sieht den Verzicht auf "aktive Ankäufe" solcher Daten vor. Deutsche Experten sagen, wenn Daten unaufgefordert angeboten werden, dürfen sie weiterhin gekauft werden….

Guldimann Haben Sie beim Bäcker schon mal passiv Brötchen gekauft? Ein Ankauf ist immer aktiv.

Gefährden die fortgesetzten Daten-Ankäufe das Steuerabkommen?

Guldimann Bis vor kurzem unterstützt in Umfragen eine Mehrheit das Abkommen. Ich kann nicht ausschließen, dass diese Zustimmung wegen der fortgesetzten Gerüchte über Ankäufe von gestohlenen Daten durch deutsche Behörden abnimmt. Falls gegen das Abkommen in der Schweiz 50.000 Unterschriften gesammelt werden, entscheidet das Volk im November mit einem Referendum über das Abkommen.

Hat die Schweiz sich als Versteck für dubioses Geld etabliert?

Guldimann Das Schweizer Bankgeheimnis hat seinen historischen Hintergrund in einer Zeit, in der Kapital in seiner Existenz gefährdet war. Dass es später für Steuerhinterziehung missbraucht worden ist, kann ich nicht verneinen. Darauf gab es Kritik, die zum Steuerabkommen geführt hat. Das Ziel der Schweizer Regierung ist, dass nur versteuerte Guthaben in der Schweiz angelegt werden. Das Abkommen garantiert diese Versteuerung. Damit können wir auch unser zweites Ziel rechtfertigen, nämlich: Die Privatsphäre der Anleger auch künftig zu wahren.

Was tut die Schweiz, um die Anlage von nicht versteuertem Geld aus dem Ausland zu verhindern?

Guldimann Es wird gerne übersehen, mit welch weitgehenden Leistungen die Schweiz ihren Finanzplatz in den letzten Jahren reguliert hat. Das betrifft wirksame Gesetze gegen Insidergeschäfte, Potentatengelder und Geldwäsche. Auf diesen Feldern ist die Schweiz inzwischen weiter als die meisten anderen Staaten. Mit dem Steuerabkommen macht die Schweiz sich jetzt sogar zum Steuereintreiber für den deutschen Fiskus. Auch das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.

Aber das angelegte Geld aus Deutschland könnte trotzdem noch Schwarzgeld sein. Wie verhindern Sie das?

Guldimann Es wird behauptet, Anonymität habe nur den Zweck, den Staat zu betrügen. Ich bin überzeugt, dass das Abkommen für viele Konteninhaber wegen der Anonymität attraktiv ist, auch wenn sie damit mehr Steuern bezahlen müssen als mit einer Selbstanzeige.

Trägt das Steuerabkommen zu mehr Steuergerechtigkeit bei?

Guldimann Mit dem Abkommen wird sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft umfassend besteuert. Ohne Abkommen gilt der bisherige Zustand. Steuersünder könnten dann mit Zufallsfunden aufgrund fragwürdiger CD-Käufe gesucht werden und es bestünde die Möglichkeit bei konkretem Verdacht Amtshilfe anzufordern. Außerdem haben sich die Schweizer Banken dazu verpflichtet, das Verbringen von deutschem Geld in Drittländer nicht zu unterstützen. Wir haben keine Anzeichen, dass dies trotzdem geschieht. Gibt es kein Abkommen, gibt es auch dieses Verbot für die Banken nicht mehr. Es wäre nicht realistisch, auf Verhandlungen zu einem für Deutschland besseren Steuerabkommen zu hoffen.

Thomas Reisener führte das Gespräch

(RP)
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