Grünen-Chefin Simone Peter "Schwarz-rote Energiebeschlüsse sind Harakiri"

Berlin · Die neue Grünen-Chefin Simone Peter attackiert Union und SPD wegen ihrer Ausgabepläne und wirft ihnen Kahlschlag bei der Energiewende vor.

 Simone Peter ist die neue Chefin der Grünen.

Simone Peter ist die neue Chefin der Grünen.

Foto: dpa, Bernd von Jutrczenka

Wie verändert sich das Leben, wenn man von einem Tag auf den anderen wie Sie Parteichefin wird?

Peter Das war nicht das erste Mal, dass ich mich relativ schnell entscheiden musste. Vor vier Jahren wurde ich eher unerwartet Umweltministerin im Saarland und musste auf einen Schlag eine Behörde mit über 2.000 Mitarbeitern leiten. Das habe ich damals auch ohne Zögern angenommen. Danach bin ich von der Regierung ins Parlament gewechselt und habe als Landtagsabgeordnete im Saarland mein Themenspektrum erweitert.

Haben Sie Ihren Hut nach der Bundestagswahl in den Ring geworfen?

Peter Ich bin zu der Kandidatur ermuntert worden. Wir hatten uns ja schon vor der Wahl Gedanken gemacht. Nach der Bundestagswahl wurde es konkreter, dann stand das Telefon nicht mehr still und ich habe mich innerhalb weniger Tage dazu entschlossen, zu kandidieren.

Wie unterscheiden Sie sich von Ihrer Vorgängerin, Claudia Roth?

Peter Wir haben unterschiedliche thematische Schwerpunkte, Claudia ist besonders menschenrechtspolitisch engagiert, mein Kernthema ist die
Umwelt- und Klimapolitik. Wenn es um Menschenrechte und offene Gesellschaft geht, brenne ich aber genauso leidenschaftlich für die Sache.

Was ist Ihre Strategie, um die Grünen neu aufzustellen?

Peter Wir wollen unsere Kernkompetenzen in den Vordergrund stellen. Die Grünen sind keine Ein-Thema-Partei. Wir stehen für ökologische Modernisierung und Klimaschutz, aber auch für Bürgerrechte und mehr soziale Gerechtigkeit. Durch die Verbindung dieser Themen können wir viele Menschen ansprechen, auch über unsere Stammwählerschaft hinaus.
Die Grünen werden sich bald wieder dauerhaft im zweistelligen Bereich stabilisieren, da bin ich mir ganz sicher. Aber wir müssen neue Machtoptionen ausloten, um diese grünen Inhalte auch umsetzen zu können.

Welche Überschrift würden Sie den laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD geben?

Peter Meine Überschrift über die Koalitionsverhandlungen lautet: Viel heiße Luft und nichts dahinter. Da werden viele neue Projekte angekündigt, für die es gar keine Finanzierung gibt. Die schwarz-roten Pläne gehen zu Lasten zukünftiger Generationen.

Können Sie das genauer erklären?

Peter Es ist nicht in Ordnung, zur Finanzierung von höheren Mütterrenten einfach in die Rentenkasse zu greifen und so die Renten-Reserven für künftige Generationen zu verspielen. Damit wird keine Vorsorge getroffen für die Zeiten, in denen die Rentenkassen nicht mehr so gut gefüllt sind. Wir Grüne wollen der Rentenversicherung eine breitere Einnahmebasis verschaffen, indem zum Beispiel auch Selbstständige versicherungspflichtig werden.

Und was sagen Sie zu den 50 Milliarden Euro teuren Ausgabeplänen im Haushalt?

Peter Das ist unseriöse Wünsch-dir-was-Politik. Wir haben einen gigantischen Investitionsstau bei Verkehrswegen, Schulen und dem Klimaschutz. Deshalb sagen wir: Es ist höchste Zeit über Subventionsabbau, Ausgabenkürzungen und Einnahmeverbesserung zu reden, zum Beispiel mit Hilfe eines gerechteren Steuersystems. Das wird auch die mögliche große Koalition noch eingestehen müssen. Ich bin in Sorge, dass Union und SPD am Ende doch die Neuverschuldung erhöhen und die Regeln der Schuldenbremse missachten.

Wie bewerten Sie die Pläne von Union und SPD bei der Energiewende?

Peter Die Beschlüsse von Union und SPD sind das reinste Harakiri. Die Erneuerbaren Energien werden ausgebremst, während für alte Kohlekraftwerke neue Subventionen winken. So werden die Akteure der Energiewende maximal verunsichert, die Planungssicherheit kommt endgültig unter die Räder. Der Kahlschlag bei den Windkraftvergütungen bewirkt, dass neue Windräder fast nur noch an den Küsten entstehen und nicht im Süden und Westen, wo der meiste Strom verbraucht wird. Das gefährdet die Versorgungssicherheit und verteuert den Netzausbau. An die üppigen Industrie-Privilegien bei der Ökostrom-Förderung traut sich Schwarz-Rot nicht ran, obwohl hier eine Entlastung der Verbraucher um 4 Milliarden Euro möglich wäre. Auch dem Klimaschutz geht es weiter an den Kragen, weil Union und SPD eine grundlegende Reform des kaputten Emissionshandels ablehnen. RWE und Co. lachen sich mit ihren klimaschädlichen Kohlekraftwerken ins Fäustchen. Das ist ein katastrophales Signal zu Beginn des Welt-Klimagipfels in Warschau.

Was erwarten Sie vom Weltklimagipfel, reicht der Ehrgeiz der großen CO2-Verursacher aus?

Peter Wir erleben einen bemerkenswerten Rollentausch: In den USA gehen die Treibhausgas-Emissionen massiv zurück. China investiert viel in den Klimaschutz. Nur die vermeintlichen Klima-Musterschüler aus der EU machen ihre Hausaufgaben nicht. Die deutschen CO2-Emissionen steigen und der europäische Emissionshandel liegt am Boden. Das muss sich ändern, wenn in Warschau ein Schritt hin zu einem globalen Klimaschutzabkommen gelingen soll. Die EU muss umsteuern: Durch schärfere Klimaziele, eine Reform des Emissionshandels und einen Stopp des deutschen Kohlebooms.

(mar/qua)
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