Hick-Hack um Betreuungsgeld Schwarz-Gelb verliert Vertrauen, Ansehen und Einheit

Berlin · CSU-Chef Seehofer kann der Basis beim Parteitag keinen Vollzug beim Betreuungsgeld melden. Diesmal schießt die FDP quer. Die Bundestags- Abstimmung wird erneut verschoben. Die Lage der Koalition ist ernst.

Was der Staat für Kinder ausgibt
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Foto: dpa, Arno Burgi

Das Betreuungsgeld kommt die schwarz-gelbe Koalition teuer zu stehen. Dabei geht es inzwischen weniger um die gut eine Milliarde Euro. Soviel soll die umstrittene Leistung für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, ab 2014 jährlich kosten.

Vielmehr bezahlt das Bündnis dafür in einer anderen Währung: mit dem Verlust von Ansehen und Vertrauen. Dabei nehmen die kleinen Partner FDP und CSU und ihre Frontmänner in dieser Kategorie laut Umfragen deutlich mehr Schaden als Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer CDU.

CDU kann es keinem recht machen

Nun ist aber die CDU in das Dilemma geraten, entweder die beiden Kleinen oder Teile der eigenen Fraktion verprellen zu müssen. Gerade hatte sie auf Drängen von CDU-Frauen mühevoll einen Kompromiss mit der CSU ausgehandelt. Die Unionsfrauen wollten mit verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen für Kinder verhindern, dass vor allem sogenannte bildungsferne Eltern zwar das Geld nehmen, ihre Kinder dann aber zu Hause vernachlässigen.

Diese Gefahr ist mit Arztbesuchen allerdings höchstens medizinisch gebannt. Ob die Kinder Zuwendung und Förderung wie in einer Kita bekommen, ist schwer nachzuvollziehen.

Auswirkungen ür Zuwandererkinder

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) kam jüngst in einer Studie am Beispiel Norwegens zu dem Schluss, dass sich Betreuungsgeld negativ auf die Integration von Zuwandererkindern auswirke. Allerdings ging es hier um Kinder, die älter als drei Jahre sind. Der andere Punkt der Studie befasste sich mit der Beschäftigung von Frauen. Sie sind es in der Regel, die dann zu Hause bleiben und Nachteile in Beruf und Rente haben.

Für die Rente setzten die CDU-Frauen durch, dass die Eltern das Geld auch in eine private Altersvorsorge einzahlen können. 15 Euro obendrauf sollte der Anreiz dafür sein. Das ist nun erst einmal alles Schall und Rauch. Die sonst so auf Eigenvorsorge bedachte FDP lehnte beide Unionskompromisse am Montag ab. Der Grund erscheint weniger inhaltlicher Art zu sein als vielmehr, dass sich die FDP übergangen fühlte. So erklärten FDP-Politiker, mit ihnen sei nicht geredet worden.

Dass sich CDU und CSU aber zunächst untereinander verständigten, sei "ein üblicher Weg" und durchaus im Rahmen des mit der FDP vereinbarten Vorgehens gewesen, konterte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Dienstag. Außerdem seien verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen schon so oft im Gespräch gewesen, dass sie niemanden überraschen konnten. Und der Renten-Anreiz würde Mehrkosten von allenfalls 12 bis 15 Millionen Euro pro Jahr bedeuten.

Von Termin, zu Termin, zu Termin

Nun wird der - bereits schon einmal verschobene - Abstimmungstermin im Bundestag am 18. Oktober gekippt, wie Unionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer deutlich machte. Offensichtlich genervt von dem Hick-Hack um ein - im Vergleich etwa zur Euro-Krise - kleines Thema, sagte er lapidar: "Wir wissen noch nicht einmal, wer mit wem sprechen soll - im Zweifel auch die Haushaltspolitiker."

Im Zweifel wird es jetzt aber von Merkel, Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler geklärt werden müssen. Die Drei seien zumindest seit Montag in intensiverem Telefonkontakt, hieß es in Koalitionskreisen.

Vor allem Seehofer bestand von Anfang an auf die Einführung des Betreuungsgeldes, von der Opposition spöttisch "Herdprämie" genannt. Er wird es durchziehen wollen - koste es, was es wolle. Seine Drohung im Sommer mit Koalitionsbruch für den Fall, dass das Betreuungsgeld scheitert, nehme Merkel ernst, heißt es in der CDU. Für die CSU ist es ein Schlag ins Kontor, dass ihr erklärtes Vorzeigeprojekt erneut in die Warteschleife muss. Denn nun kann Seehofer nicht pünktlich zum Parteitag am 19. Oktober der Basis Vollzug melden. Der Kongress werde mit oder ohne Betreuungsgeld erfolgreich sein, heißt es trotzig aus der Berliner CSU-Landesgruppe.

Merkel sieht das Thema locker

Bei Merkel hat man eher den Eindruck, dass ihr das Betreuungsgeld ziemlich gleichgültig ist. Sie kann sich dafür nicht besonders begeistern, findet aber auch nichts Schlimmes daran, wenn Eltern ihre zwei- bis dreijährigen Kinder nicht in eine staatlich geförderte Einrichtung geben, sondern zu Hause erziehen. Außerdem wird es voraussichtlich 2013 gar nicht genügend Kindergartenplätze geben, auf die Eltern dann einen Rechtsanspruch haben. Und unterm Strich ist Betreuungsgeld billiger als ein vom Staat geförderter Kita-Platz.

Die FDP hatte dem Betreuungsgeld sowohl im Koalitionsvertrag als auch im Koalitionsausschuss zugestimmt. Nun nimmt sie es zum Anlass, eigene bisher unerfüllte Forderungen wieder aufzurufen: FDP-Vize Holger Zastrow nannte im Deutschlandfunk die Abschaffung der Praxisgebühr. Aus dem Kanzleramt hieß es: keine Chance. Die Lage der Koalition sei ernst, erklärten alle drei Parteien. Scheitern lassen wollen sie das Bündnis aber nicht. Fortsetzung folgt.

(dpa)
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