Bundespräsidentenwahl: SPD siegessicher Schwan hofft auf Überläufer
Berlin (RPO). Eine Woche vor der Bundespräsidentenwahl rechnet SPD-Kandidatin Gesine Schwan mit einem Sieg. Dabei hofft sie auf die Stimmen der Linken und der Freien Wähler. Aus der Union kommt Kritik.
Schwan gehe davon aus, "dass die Stimmen für die Mehrheit eher von der Linkspartei kommen", sagte Schwan dem "Tagesspiegel" und schloss eine Unterstützung auch durch die Freien Wähler nicht aus. SPD-Fraktionschef Peter Struck bezeichnete den Ausgang der Wahl als "völlig offen". Deutlich wurde, dass die Parteien den 23. Mai immer stärker zur Positionsbestimmung für die Bundestagswahl nutzen.
Struck erklärte, er habe nicht den geringsten Zweifel, dass alle 222 Abgeordneten der SPD-Fraktion für Gesine Schwan stimmen. "Es ist meine sechste Bundespräsidentenwahl, und so knapp wie jetzt, war es noch nie", sagte er der "Bild am Sonntag". Schwan habe "eine echte Chance."
Unionsfraktionschef Volker Kauder warf der SPD vor, sie werde versuchen, Amtsinhaber Horst Köhler mit den Stimmen der Linkspartei aus dem Amt zu drücken. "Wer soll der SPD da noch glauben, dass sie nach der Bundestagswahl auf eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei verzichtet?", kritisierte er im "Hamburger Abendblatt".
CSU geht diesmal auf Nummer sicher
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte im Deutschlandfunk, die Wahl des Präsidenten sei die erste große Wahlentscheidung in diesem Jahr. Falls Schwan mit den Stimmen der Linkspartei gewählt werden würde, könnte man der Bevölkerung kaum erklären, "warum dies in einigen Monaten bei der Bundeskanzlerwahl nicht in der gleichen Konstellation erfolgen soll, dass also SPD und Linke zusammenspielen".
Er gehe bislang davon aus, dass Köhler auch die Stimmen der Freien Wähler erhalte und wiedergewählt werde, sagte Seehofer. Nach den Erfahrungen bei der letzten Bundespräsidentenwahl vor fünf Jahren habe die CSU diesmal Delegierte gewählt, "von denen man ausgehen kann, dass sie auch unsere Überzeugung mit vertreten, nämlich dass Horst Köhler Bundespräsident bleiben soll".
2004 hatte die von der CSU entsandte Fürstin Gloria von Thurn und Taxis nicht Köhler, sondern Schwan gewählt, wie sie später zugab. Köhler wurde damals zwar gewählt, ihm fehlten aber mindestens 18 Stimmen aus dem Lager von CDU/CSU und FDP.
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer riet der SPD, auf die Kandidatur von Gesine Schwan zu verzichten. Er gehe allerdings "mit Sicherheit" davon aus, dass Köhler im ersten Wahlgang wiedergewählt werde, sagte er der Berliner Tageszeitung "B.Z.".
Das Volk würde Köhler wählen
Die Kandidatur Schwans zur Bundespräsidentenwahl am 23. Mai gegen Amtsinhaber Köhler wird von der SPD und den Grünen unterstützt. Beide Parteien kommen in der 1.224 Mitglieder zählenden Bundesversammlung auf 514 Sitze. Ihre Kandidatin hat damit keine eigene Mehrheit.
CDU, CSU und FDP stellen 604 Delegierte, die Freien Wähler aus Bayern zehn. Wenn die Wahlleute aller vier Parteien geschlossen für Köhler votieren, käme er auf 614 Stimmen.
Die Linkspartei hat 90 Stimmen. Sie schickt den Schauspieler Peter Sodann ins Rennen. Ob dieser an seiner Kandidatur festhält, falls es zu einem dritten Wahlgang kommt, ist offen.
In den ersten beiden Wahlgängen ist eine absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich. Im letzten Wahlgang reicht die relative Mehrheit.
Würde der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt, wäre die Sache klar. Dann würden 70 Prozent der Deutschen für Amtsinhaber Horst Köhler stimmen, wie eine repräsentative Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" ergab. Zehn Prozent sprachen sich für Gesine Schwan und vier Prozent für Peter Sodann aus.