Bundestag debattiert über Regionalsprachen „Wat bün ik froh, dat wi vondaag op Platt snacken köönt“

Berlin · Fünf Minderheitensprachen sind in Deutschland geschützt, doch ihre Verbreitung nimmt ab. Der Bundestag debattierte am Donnerstag heiter über den Schutz der Mundarten. Ein Parlamentskreis will, dass Plattdeutsch, Friesisch und Dänisch wieder zum Alltag gehören.

 Der SPD-Politiker Johann Saathoff sprach im Bundestag „op Platt“.

Der SPD-Politiker Johann Saathoff sprach im Bundestag „op Platt“.

Foto: dpa/Arne Immanuel Bänsch

Seit zehn Jahren sitzt Johann Saathoff im Deutschen Bundestag. In unzähligen Debatten kämpfte der Sozialdemokrat für Offshore-Windparks, Handelsabkommen und bezahlbare Mobilität, seit 2021 ist der Ostfriese Staatssekretär im Innenministerium. Den emotionalen Höhepunkt seiner parlamentarischen Karriere erlebte Saathoff allerdings erst am Donnerstag: Der 55-Jährige sprach im Bundestag über den Erhalt kleinerer Sprachen – und zwar auf Platt.

„Wat bün ik froh, dat wi vondaag nich bloot över Platt snacken köönt, dat wi op Platt snacken köönt“, sagte der Sozialdemokrat. Schon 2018 sorgte er für Aufsehen, als er auf Plattdeutsch eine AfD-Initiative zur Verankerung von Deutsch als Landessprache im Grundgesetz abbügelte. „Düütschland word neet armer dör anner Spraken, Düütschland word rieker“, sagte Saathoff damals.

Anlässlich des 25. Jahrestags des Inkrafttretens der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen hatte der von Saathoff mitgegründete Parlamentskreis Plattdeutsch darauf gedrängt, im Bundestag in niederdeutscher Sprache zu debattieren. Saathoff forderte nun, dass die Minderheitensprachen stärker wieder den Weg in die Öffentlichkeit finden sollten, in Kitas, Schulen und Rathäuser. Man müsse dafür sorgen, dass Menschen keine Nachteile durch ihre Sprache erfahren, so der Ostfriese.

Klar ist: Die Regionalsprachen stehen unter Druck. Es gibt heutzutage kaum mehr Nachwuchs, der mit den Mundarten aufwächst. Dabei sind fünf Minderheitensprachen in Deutschland geschützt. Die Sprachen der anerkannten Minderheiten Dänisch, Friesisch, Sorbisch und Romanes sowie die Regionalsprache Niederdeutsch (Plattdeutsch) werden seit 1999 in Deutschland geschützt und gefördert.

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Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Als Schutzherrin der Regionalsprachen tritt auch Gyde Jensen (FDP) in Erscheinung. Sie habe sich im Jahr 2018 gefragt, was der Bundestag tun könne, um dem Thema Regionalsprachen mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. „Es gibt doch Parlamentskreise Bus, Bahn und Pferd — warum gründen wir nicht einfach einen Parlamentskreis Plattdeutsch? Und das haben wir gemacht“, so die Liberale in feinstem Platt: „Un ik bün froh, dat wi dat daan hebbt“.

Die Abgeordnete aus Schleswig-Holstein erklärte, dass die Sprache an Einfluss verloren habe, weil Eltern Zuhause bewusst kein Platt mit ihren Kindern gesprochen hätten. „Dat geev en Tied, in de seggt wurr: Spreek mal nich Plattdüütsch, denn dat is för dich later en Nadeel“, so Jensen. Dabei würden Studien offenbaren, dass Kinder von unterschiedlichen Sprachen und Perspektiven profitieren, so die Liberale.

Die Hamburgerin Linda Heitmann von den Grünen forderte, dass an Schulen und Universitäten künftig Plattdeutsch-Kurse angeboten werden. Wichtig sei, dass Regionalsprachen auch in Medien besser abgebildet würden, „so dat dat en beten mehr to ’n Alldag hörrt“, so Heitmann. Zudem dürften Redner im Bundestag gerne häufiger heimische Mundarten bemühen. Und zwar nicht nur am Jahrestag der Europäischen Sprachencharta.

Die Politiker schienen übrigens sichtlich Freude an der Debatte zu haben. Der gegenseitige Applaus war bisweilen tosend, das Gelächter groß. „Solche Beifallsstürme haben wir hier selten“, sagte die Vizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD). Höchste Konzentration wurde unterdessen den Mitarbeitern des Stenografischen Dienstes des Bundestags abverlangt: Sie mussten die Redebeiträge Wort für Wort niederschreiben – auf Platt versteht sich.

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