Vor Türkei-Besuch Schröder fordert Fortsetzung des türkischen Reformkurses

Berlin (rpo). Zwei Tage vor seinem Türkei-Besuch hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die Regierung in Ankara zu einer konsequenten Fortführung ihres Reformkurses aufgefordert. "Die Reformen müssen weiter umgesetzt und ihre Unumkehrbarkeit sichergestellt werden", erklärte der Bundeskanzler in einem Gespräch mit der türkischen Tageszeitung "Milliyet".

Das gelte besonders für die Grundfreiheiten sowie für die Minderheiten- und Menschenrechte. An einem pünktlichen Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober ließ Schröder dennoch keinen Zweifel.

Der Kanzler bricht am (morgigen) Dienstag zu einer zweitägigen Reise nach Bosnien und in die Türkei auf. Bei seinen Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und Präsident Ahmet Sezer werden die EU-Beitrittsverhandlungen im Mittelpunkt stehen. Vor vier Monaten war die Aufnahme der Gespräche auf einem EU-Gipfel in Brüssel beschlossen worden. In den vergangenen Wochen war Erdogan Vorwürfen ausgesetzt, er habe seine Reformbemühungen nach der Entscheidung schleifen lassen.

Lob für "beeindruckende Reformpolitik"

Schröder lobte die "beeindruckende Reformpolitik" der türkischen Regierung. Erdogan selbst habe darauf hingewiesen, dass für die Umsetzung ein "Mentalitätswandel" notwendig sei, sagte Schröder. "Ein solcher Wandel vollzieht sich nicht über Nacht, aber er ist notwendig, damit Reformen und Gesetzesänderungen zur alltäglichen und allseits akzeptierten Praxis werden."

Der Fortgang des Reformprozesses werde den Verlauf der EU-Beitrittsgespräche maßgeblich bestimmen, betonte Schröder. "Die Verhandlungen selbst werden sicherlich lang und auch schwierig werden."

Der Kanzler verwies darauf, dass die Türkei bis zum 3. Oktober das Zollabkommen mit der EU auf die neuen Mitgliedstaaten ausweiten muss. Damit wird Zypern von Ankara faktisch anerkannt. "Eine baldige Lösung des Zypernproblems würde die Beitrittsverhandlungen selbstverständlich erleichtern", sagte Schröder.

Befürwortung von Historikerkommission

In der Diskussion um das Massaker an Armeniern vor 90 Jahren im damaligen Osmanischen Reich unterstützte Schröder den Vorschlag der türkischen Regierung, die Ereignisse durch eine Historikerkommission aufarbeiten zu lassen. "Der von Ministerpräsident Erdogan vorgeschlagene Weg weist in die richtige Richtung", sagte er.

Bei der Vertreibung aus dem damaligen Osmanischen Reich wurden zwischen 1915 und 1923 bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet. Die Regierung in Ankara weigert sich bislang, von Völkermord zu sprechen. Das Europäische Parlament hat von der Türkei ein entsprechendes Eingeständnis verlangt.

Vor Ankara und Istanbul wird Schröder am Dienstag Bosnien-Herzegowina besuchen. In Sarajevo wird er Gespräche mit Ministerpräsident Adnan Terzic und dem Repräsentanten der internationalen Staatengemeinschaft, Paddy Ashdown, führen. Anschließend besucht er das EUFOR-Feldlager in Rajlovac vor den Toren der Hauptstadt. Die Bundeswehr ist seit dem Friedensvertrag vor zehn Jahren in Bosnien präsent. Derzeit sind 1.100 deutsche Soldaten im Rahmen der EU-Operation "Althea" dort stationiert.

(ap)
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