"Pflicht aller Demokraten" Schröder: Aufruf zum Widerstand gegen Antisemitismus

Berlin (rpo). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum entschiedenen Widerstand gegen wiederaufkeimenden Antisemitismus in Deutschland aufgerufen. Der Bundeskanzler appellierte an die Bevölkerung, den Antisemitismus "zu bekämpfen".

"Dass es Antisemitismus immer noch gibt, das ist nicht zu leugnen", sagte Schröder laut Redetext auf einer Gedenkveranstaltung des Internationalen Auschwitz Komitees am Dienstag im Deutschen Theater in Berlin. "Ihn zu bekämpfen, ist Aufgabe der ganzen Gesellschaft." Es sei die "gemeinsame Pflicht aller Demokraten, der widerlichen Hetze der Neonazis und den immer neuen Versuchen, die Nazi-Verbrechen zu verharmlosen, entschieden entgegenzutreten". Für die Feinde von Demokratie und Toleranz dürfe es "in der wehrhaften Demokratie keine Toleranz geben", mahnte der Kanzler.

Schröder spricht von "ernster Verantwortung"

An die Teilnehmer der von ehemaligen Häftlingen des Lagers veranstalteten Gedenkfeier gerichtet sagte Schröder: "Ich bekunde meine Scham angesichts der Ermordeten - und vor Ihnen, die Sie die Hölle der Konzentrationslager überlebt haben." Namen von Konzentrationslagern wie Chelmno, Belzec, Sobibor, Treblinka, Maidanek und Auschwitz-Birkenau seien "mit der Geschichte der Opfer, aber auch mit der europäischen und deutschen Geschichte für immer verbunden". "Das wissen wir. Wir tragen diese Bürde in Trauer, aber auch in ernster Verantwortung."

Schröder betonte, nie wieder dürfe es "Antisemiten gelingen, jüdische Bürger, nicht nur unseres Landes, zu bedrängen, zu verletzen - und Schande über unsere Nation zu bringen". Den rechtsextremen Kräften, ihren dumpfen Parolen und Schmierereien gelte "gewiss die besondere Aufmerksamkeit von Polizei und Verfassungsschutz." "Aber die Auseinandersetzung mit Neonazis und Altnazis müssen wir alle miteinander politisch führen."

Der Kanzler fügte hinzu, die überwältigende Mehrheit der heute lebenden Deutschen trage keine Schuld am Holocaust. "Aber sie trägt eine besondere Verantwortung." Die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen sei eine "moralische Verpflichtung": "Wir sind dies nicht nur den Opfern, den Überlebenden und den Angehörigen, sondern uns selbst schuldig." Es gebe "keine Freiheit, keine Menschenwürde und keine Gerechtigkeit, würden wir vergessen, was geschah, als Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde mit staatlicher Macht zertreten wurden".

Auf der Gedenkveranstaltung in Berlin will auch der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, sprechen. Auch im Straßburger Europarat soll am Dienstagmittag in eine Gedenkstunde der Opfer von Auschwitz statfinden.

(afp)
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