Wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr Schreiber bleibt in Untersuchungshaft

Berlin (RPO). Das Landgericht Augsburg hat am Vormittag den Haftbefehl gegen Karlheinz Schreiber eröffnet. Der Waffenlobbyist muss wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft bleiben. Schreiber gilt als "haftempfindlich" zu sein. Vielleicht packt der 75-Jährige ja noch vor Prozessbeginn aus, hofft deswegen der Grüne Christian Ströbele. Ob Schreibers gut gehüteteten Geheimnisse jedoch das Zeug zum Wahlkampfhelfer haben, bleibt fraglich.

Karlheinz Schreiber und die CDU Parteispendenaffäre
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Am Dienstag Morgen eröffnete das Gericht den Haftbefehl gegen den 75-Jährigen. Der habe die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bei dem Gerichtstermin durch seinen Anwalt pauschal bestritten, teilte Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz mit. Der Verteidiger habe sich aber weitere Erklärungen zu einem späteren Zeitpunkt vorbehalten.

Der bereits vor zehn Jahren erstellte Haftbefehl lautet auf Steuerhinterziehung, Bestechung, Beihilfe zur Untreue und zum Betrug. Der Haftbefehl wurde bereits 1999 erlassen, damals hatte sich Schreiber nach Kanada abgesetzt.

Am Montag nun die spektakuläre Rückkehr des Schattenmanns in der CDU-Parteispendenaffäre. Die am häufigsten verwendete Umschreibung für Schreiber: Schlüsselfigur. Er soll unter anderem für die Vermittlung eines Panzerverkaufs von Thyssen an Saudi-Arabien Millionen Bestechungsgelder gezahlt haben, darunter an den damaligen Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls und CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

Nach Angaben des Gerichts hängt von der Aussage Schreibers ab, wie rasch der Prozess terminiert werden kann. Schreiber ließ am Dienstagmorgen jedoch noch nicht erkennen, ob er eine Aussage machen wird, wie der Präsident des Landgerichts, Herbert Veh, sagte.

Neuer U-Ausschuss möglich

Dem 75-Jährigen drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Seine Zelle in der U-Haft in Augsburg ist neun Quadratmeter groß. Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele hofft deshalb, dass Schreiber "endlich auspackt". Schreiber habe sich "immer sehr haftempfindlich" gezeigt, deshalb müsse man vielleicht gar nicht bis zum Prozessbeginn warten, um neue wichtige Informationen zu erhalten.

Eine Reihe wichtiger Fragen sei noch offen, darunter die Verwendung der 100.000-Mark-Spende von Schreiber an den heutigen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ströbele schloss nicht aus, dass ein neuer Untersuchungsausschuss nötig sein könnte, falls Schreiber aussage.

"Umfangreiche Unterlagen" in Kanada

Bei einer Hausdurchsuchung in Kanada seien "umfangreiche Unterlagen" sichergestellt worden, die dem damaligen Untersuchungsausschuss nicht zur Verfügung gestanden hätten, betonte der Grünen-Politiker. Im Abschlussbericht des Gremiums sei zudem ausdrücklich die Möglichkeit erwähnt, die Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.

Der Grünen-Politiker forderte Schreiber auf, umfassend auszusagen. "Der soll jetzt mal die volle Wahrheit auf den Tisch legen und einer Überprüfung durch das Gericht, durch die Staatsanwaltschaft und möglicherweise auch durch ein parlamentarisches Gremium zuführen." Ströbele äußerte die Hoffnung auf eine rasche Aussage. Der Haftrichter werde Schreiber die Gelegenheit dazu geben: "Wenn er jetzt so frühzeitig anfangen würde zu plaudern, dann könnte das schon bis zur Bundestagswahl auch eine gewisse Rolle spielen", meinte er.

Union demonstrativ gelassen

Ein detaillierte Wiederbelebung der Spendenaffäre in der breiten Öffentlichkeit - der Union käme das alles andere als gelegen. Zwar gibt man sich nach außen hin gelassen und verweist darauf, dass - bis auf Schäuble - inzwischen eine neue Politikergeneration am Hebel sei. Doch jeder zusätzliche Fleck am Revers wäre in Wahlkampfzeiten eine Schwächung. Die Union fragt sich: Hat Schreiber tatsächlich etwas in der Hinterhand wie er es immer wieder angedroht hat? Vielleicht sogar Namen, Dokumente, Beweise?

Die SPD hält sich bedeckt. Bloß nicht in den Ruf kommen, man habe es nötig, auf fiese Tricks zurückgreifen zu müssen. Schreiber selbst hatte die Legende in die Welt gesetzt, seine Auslieferung sei von den Sozialdemokraten bewusst herbeigeführt worden. Ein Waffenlobbyist als Wahlkampfhelfer der SPD sozusagen. Die SPD habe mit seinem Fall bereits drei Wahlen gewonnen, sagte Schreiber den Journalisten vor seinem Abflug nach Deutschland.

"Stinken tut's nicht bei uns"

Bis auf Parteichef Franz Müntefering ("Stinken tut's nicht bei uns, sondern bei den anderen") geben sich die Genossen jedoch betont zurückhaltend. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert wiegelte am Dienstag ab: "Ich glaube, dass die Erkenntnisse, die wir von Herrn Schreiber zu erwarten haben, gering sein werden.", so das ehemalige Mitglied im im Untersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre im ARD-"Morgenmagazin".

Zudem steht die Möglichkeit eines juristischen "Deals" im Raum. "Ich befürchte, dass man versuchen wird, im Rahmen einer Absprache bestimmte Dinge aus dem Prozess herauszunehmen und schnell zu einem Ende zu kommen", sagte der frühere Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD) dem Hessischen Rundfunk. "Das haben wir bereits beim Prozess gegen den ehemaligen Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls erlebt, der von Schreiber auch 3,8 Millionen Mark Schmiergelder angenommen hat", sagte er.

Insiderwissen

Nach Ansicht Neumanns verfügt Schreiber durchaus über interessantes Insiderwissen rund um die damaligen Vorgänge: "Wir haben ihn ja in Kanada vernehmen dürfen. Dabei hat er ganz überraschend Einzelheiten über Parteispenden an die CSU dargelegt, die aber nicht nachweisbar waren. In diesem Zusammenhang könnte natürlich noch etwas herauskommen."

Ob das, was Schreiber dann an Neuigkeiten auf den Tisch legt, belastbare Neuigkeiten in der Aufklärung der Spendenaffäre oder gar einen neuen Trend im Bundestagswahlkampf herbeiführen könnte, steht freilich auf einem anderen Blatt. Für SPD-Mann Danckert liegt ein solches Szenario außerhalb des Wahrscheinlichen. "Dass das unser Kronzeuge sein soll, dass er uns helfen soll für den Bundestagswahlkampf, das halte ich für ausgeschlossen." Es sei zudem ungeklärt, ob Schreiber zu den Spendern gehört habe, die Ex-Kanzler Helmut Kohl (CDU) bis heute nicht genannt habe. "Aber ich glaube, das hat heute keine Relevanz mehr."

mit Agenturmaterial von AFP/ddp/AP

(AFP/ddp/AP)
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