„Arbeiten sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre ab“ Scholz sichert Bürgern Unterstützung im Herbst und Winter zu

Berlin · Olaf Scholz war schon 33 Mal in der Bundespressekonferenz. Jetzt kommt er erstmals als Bundeskanzler und setzt die Tradition der Sommerpressekonferenzen seiner Vorgängerin Angela Merkel fort. Bei einem Thema wird er schmallippig.

 Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte, SPD) bei der Sommer-Pressekonferenz.

Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte, SPD) bei der Sommer-Pressekonferenz.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bürgerinnen und Bürgern erneut Unterstützung angesichts der Belastungen durch die hohe Inflation zugesichert. Die Regierung werde über die schon beschlossenen Entlastungen hinaus weitere Maßnahmen ergreifen müssen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin. „Dazu ist die Regierung auch fest entschlossen.“ Scholz betonte: „Wir werden alles dafür tun, dass die Bürgerinnen und Bürger durch diese schwierige Zeit kommen.“ Man lebe in ernsten Zeiten. Diese würden Deutschland im Herbst und Winter noch „viel abverlangen“.

Der Kanzler machte bei seinem Auftritt in der Bundespressekonferenz, der Vereinigung der Hauptstadt-Journalisten, zugleich deutlich, dass er nicht mit massiven gesellschaftlichen Verwerfungen wegen der Krise rechnet. Auf die Frage, ob er wegen steigender Energiepreise soziale Unruhen erwarte, antwortete er: „Nein, ich glaube nicht, dass es in diesem Land zu Unruhen in dieser skizzierten Form kommen wird. Und zwar deshalb, weil Deutschland ein Sozialstaat ist.“

Regierung schnürt Gesamtpaket für Entlastungen

Scholz betonte, es gehe ihm um diejenigen, „die ganz wenig haben“. Deshalb werde die Regierung beim Wohngeld etwas machen und das Bürgergeld einführen. Zu einem Gesamtpaket würden auch steuerliche Entlastungen gehören. „Der Finanzminister hat seinen Beitrag zu den notwendigen Überlegungen dazu gestern vorgestellt. Ich finde das sehr, sehr hilfreich, weil wir ja ein Gesamtpaket schnüren müssen, das alle Bevölkerungsgruppen umfasst.“ Es handele sich um einen „guten Aufschlag“ von Christian Lindner (FDP).

Dieses Gesamtpaket werde die Regierung vorlegen, „damit niemand alleingelassen wird, niemand vor unlösbare Probleme gestellt wird und keiner die Herausforderungen, die mit den gestiegen Preisen verbunden sind, alleine schultern muss“, sagte der Kanzler.

Scholz versicherte, die Bundesregierung habe sich auf die Schwierigkeiten vorbereitet, etwa in der Energiefrage. „Wir arbeiten sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre ab, die in dieser Hinsicht wirklich groß waren.“ Es habe in der Vergangenheit zwar gemeinsame Entscheidungen über den Ausstieg aus der Kohleverstromung und Atomenergie gegeben, aber keine Entscheidungen, die ein großes Tempo für eine industrielle Modernisierung Deutschlands mit sich gebracht hätten. Scholz gehörte als Finanzminister selbst der schwarz-roten Vorgängerregierung an.

Weitere Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland

Scholz kündigte eine weitere massive Unterstützung der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer an. Der Krieg von Kreml-Chef Wladimir Putin verlange unverändert, „dass wir weitreichende Entscheidungen treffen, um die Ukraine in ihrem Kampf um Unabhängigkeit zu unterstützen“. Die Regierung tue das durch einen „massiven Bruch mit bisheriger Praxis, indem wir Waffen liefern, sehr, sehr viele, sehr weitreichende, sehr effiziente“. Scholz ergänzte: „Und das werden wir auch die nächste Zeit weiter tun.“

Auf die Frage, ob Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) in dem Konflikt noch einmal nützlich sein könne, antwortete er: „Ich wüsste nicht.“ Es wäre aber „mal ein verdienstvolles Geschäft“, dafür zu sorgen, dass Russland die Einfuhr der Turbine für die Gasleitung Nord Stream 1 erlaube, merkte Scholz an. Die von Siemens-Energy gewartete Turbine ist derzeit in Deutschland.

Scholz weist jede Verantwortung in Steueraffäre von sich

In der Steueraffäre um die Hamburger Warburg Bank wies Scholz weiter jede Verantwortung in seiner Zeit als Regierungschef des Landes von sich. „Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat“, sagte er. Das hätten die umfangreichen Untersuchungen der vergangenen zweieinhalb Jahre gezeigt. „Ich bin sicher, dass diese Erkenntnis nicht mehr geändert werden wird.“

In der Affäre geht es um sogenannte „Cum-Ex“-Geschäfte, bei denen Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag in einem vertrackten System so verschoben, dass ihnen Steuern erstattet wurden, die sie nie gezahlt hatten. Nach Treffen 2016 und 2017 mit den Bank-Gesellschaftern Christian Olearius und Max Warburg im Amtszimmer von Scholz hatte die Finanzverwaltung eine Steuerrückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Bank verjähren lassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.

Die Treffen sollen unter anderem vom damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs mit angebahnt worden sein. Aus Ermittlungsakten soll hervorgehen, dass in einem Schließfach des SPD-Politikers Kahrs mehr als 200 000 Euro in bar gefunden wurden. Auf die Frage, was er über das Geld wisse, antwortete Scholz am Donnerstag: „Nichts.“ Zur möglichen Herkunft des Geldes äußerte sich der Kanzler ebenfalls wortkarg: „Keine Ahnung - ich nehme an, Sie wissen das eher als ich.“

Modernisierung bleibt Ziel der Ampel

Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP hält laut Scholz an ihrem Anspruch fest, eine „Fortschrittskoalition“ zu sein. „Das Thema Fortschritt in Deutschland zu bewerkstelligen steht unverändert als große Aufgabe für uns an und das eint die drei Koalitionsparteien auch“, sagte er. Es handele sich zwar um drei unterschiedliche Parteien, die aber „klar verabredet“ hätten, die Modernisierung Deutschlands intensiv voranzutreiben. Trotz der aktuellen Krisen sei es weiterhin der Anspruch, ein „in 10, 20 und 30 Jahren noch führendes Industrieland mit weltweit exportfähigen Technologien“ zu sein. Die Krise erfordere es sogar, dieses Ziel „noch mit mehr Tempo“ zu verfolgen.

(bora/dpa)
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