Klebeaktionen der Letzten Generation „Völlig bekloppt“ – warum das Kanzlerwort Klimaaktivisten trifft
Meinung | Düsseldorf · Die Klebeaktionen von Klimaaktivisten hat Bundeskanzler Olaf Scholz „völlig bekloppt“ genannt. Damit hat er zwar Recht, macht sich die Sache jedoch etwas zu leicht.
Vor Schülern im brandenburgischen Kleinmachnow hat Bundeskanzler Olaf Scholz zum Ausdruck gebracht, was er von den Anklebeaktionen der Klimaaktivisten der Letzten Generation hält: „Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße“, sagte Scholz. Er habe den Eindruck, dass es auch nicht dazu beitrage, dass irgendjemand seine Meinung ändere, sondern es ärgerten sich vor allem alle. Damit hat der Kanzler – für seine Verhältnisse ungewohnt salopp – formuliert, was viele Menschen denken: nämlich, dass es „bekloppt“ ist, andere am Weg zur Arbeit zu hindern oder seine Hand auf unschuldige Kunst zu pappen, um den Klimakollaps zu verhindern. Scholz hat also mit Volkes Stimme gesprochen.
Damit hat er es sich einerseits zu leicht gemacht. Denn er fällt ein in den Chor derer, die so tun, als könne alles so weitergehen wie bisher. Dürre, Starkregen, Überschwemmungen, nun ja, gehört jetzt eben zum Alltag. Nur die Aktivisten mit ihren „bekloppten“ Aktionen seien ziemlich neben der Spur, und Berufspolitiker dürften das im lockeren Gespräch mit Schülern auch ruhig einmal aussprechen.
Doch zugleich hat der Kanzler auch Recht. Das richtige Ziel der Aktivisten, die Gesellschaft wachzurütteln und von der Politik entschiedeneres Handeln für den Klimaschutz zu fordern, macht „bekloppte“ Aktionen ja nicht weniger „bekloppt“. Die Letzte Generation will Aufmerksamkeit für ihre Themen und erreicht sie, indem sie immer wieder den Berufsverkehr stört und kostbare Kunst bedroht. Doch wird das nicht für einen breiten Mentalitätswandel in der Bevölkerung sorgen. Im Gegenteil. Es bringt gerade jene gegen die Klimabewegung auf, die sich nur am Rande mit Klimaszenarien beschäftigen. Die Aktionen liefern sogar die Vorlage, Klimaaktivismus als exotischen Aktionismus extremer junger Leute abzutun – und sich deren Forderungen damit ganz einfach vom Hals zu halten. Genau das hat der Kanzler vor den Schülern in Brandenburg ja auch gesagt. Es gab in seiner Aussage ja ein „weil“. Er finde die Aktionen bekloppt, weil sie seiner Meinung nach nicht dazu beitragen, dass irgendjemand seine Meinung ändere. Damit dürfte der Kanzler recht haben.
Das ist das Dilemma politischer Aktion. Sie muss irritieren und provozieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Darum reicht es den Klimaaktivisten nicht, etwa bei Unternehmen, die besondere Umweltsünder sind, Transparente an die Schornsteine zu hängen. Die Leute nehmen solche Aktionen wahr – und vergessen sie sofort wieder, weil sie davon nicht wirklich betroffen sind. Den Berufsverkehr zu stören, hat eine andere Breitenwirkung. Doch mit welcher Folge? Den Aktivisten gelingt es nicht, die Aufmerksamkeit auch in Interesse oder gar Zuspruch für ihre Themen umzumünzen. Im Gegenteil, sie polarisieren und verlieren gerade jene, die durchaus sehen, dass der Klimawandel mit seinen verheerenden Folgen begonnen hat. Und dass man dem etwas entgegensetzen sollte, auch wenn sich Gewohnheiten dafür verändern müssen. Doch die aktuellen Klimaaktionen empfinden viele als aggressiven Akt gegen ihren Alltag. Und sind nur noch genervt. Da hatten die Klimaproteste von Friday for Future eine andere Wirkung: Sie haben sichtbar gemacht, dass eine ganze Generation um ihre Zukunft bangt – und waren offen für Teilnahme.
Der Kanzler hat einen populären Satz ausgesprochen. Er sollte den Aktivisten zu denken geben.