Nach Vertrauensfrage Schlechte Noten für Schröder

Berlin (rpo). Mit seiner Rede zur Vertrauensfrage im Bundestag hat Bundeskanzler Gerhard Schröder viele Experten nicht überzeugt. Schröders Argumente seien zu schwach, sagte die Hamburger Politikwissenschaftlerin Christine Landfried am Samstag. Eine sachliche Begründung vermisste der frühere Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein.

So funktionieren Neuwahlen
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Foto: ddp

Der Verfassungsrechtler Volker Epping sagte, es gebe schwere verfassungsrechtliche Probleme für eine vorgezogene Neuwahl. Christine Landfried sagte der Nachrichtenagentur ddp, um glaubwürdig zu sein, hätte Schröder auf verlorene Abstimmungen verweisen müssen. Da er dies gekonnt habe, verbiege der von Schröder gewählte Weg zu Neuwahlen die Verfassung. Schwach sei auch Schröders Verweis darauf, dass die SPD aufgrund der Agenda 2010 Wahlen verloren habe. Insgesamt habe Schröder kein einziges Argument gebracht, das die Bedenken gegen eine Bundestagsauflösung abmildern könne. Eine saubere Lösung der politischen Situation wäre daher ein Rücktritt Schröders gewesen.

Klein sagte: "Mir erschien die Erklärung ein bisschen dünn als Begründung dafür, dass der Kanzler nicht mehr dauerhaft auf eine Mehrheit im Bundestag verweisen kann.". Formal habe Schröder eine völlig korrekte Erklärung abgegeben. Er hätte aber auch sagen müssen, welche Politik er künftig zu betreiben beabsichtige und dass er dafür keine nachhaltige und verlässliche Unterstützung seiner Koalition habe. Gleichwohl gehe er davon aus, dass der Bundespräsident den Bundestag auflösen und das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung bestätigen werde. "Wenn es stimmt, was kolportiert wird, dass der Kanzler den jetzigen Treueschwüren der SPD-Linken misstraut und glaubt, dass sie ihn bei der nächsten Abstimmung, bei der es Spitz auf Knopf steht, nicht unterstützen, ist das nachvollziehbar", sagte Klein.

Epping sagte, vorgezogene Bundestagswahlen am 18. September seien keineswegs sicher. Schröder habe die Abstimmung nur herbeigeführt, um sie zu verlieren. Das sei aus staatsrechtlicher Sicht nicht zu akzeptieren. Alle Fraktionen hätten sich entschieden, den Artikel 68 des Grundgesetzes zu missbrauchen, der die Auflösung des Bundestages regelt. Er sehe aber eine reelle Chance, dass das Bundesverfassungsgericht dies verhindern werde.

Bundespräsident Horst Köhler müsse jetzt prüfen, ob es tatsächlich ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Koalitionsfraktionen und dem Bundeskanzler gebe und wenn ja, welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien, sagte Epping. Köhler stehe allerdings unter Druck, weil alle Parteien und die Mehrheit der Bürger vorgezogene Neuwahlen wollten. Bei einer Klage gegen eine Auflösung des Bundestages werde der Druck der Öffentlichkeit auch die Verfassungsrichter treffen. "Das Gericht wird es sich dreimal überlegen, ob es eine Entscheidung des Bundespräsidenten für Neuwahlen noch zu Fall bringt oder nicht", sagte Epping.

(afp)
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