Schonfrist versprochen Scheuers Tüv-Plan kann für Autofahrer teuer werden

Berlin · Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte medienwirksam eine Schonfrist bei der Tüv-Erneuerung angekündigt. Experten sehen bei dem Vorhaben allerdings Probleme - zum Nachteil der betroffenen Autofahrer.

 Nach der Hauptuntersuchung gibt’s die Tüv-Plakette.

Nach der Hauptuntersuchung gibt’s die Tüv-Plakette.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Als Andreas Scheuer Ende März von der „Bild“-Zeitung gefragt wurde, was passiere, wenn in Zeiten des Coronavirus der Tüv bei einem Fahrzeug ablaufe, da sprach der Minister von „Tagen des Pragmatismus und Tagen der Entbürokratisierung“ und die Boulevardzeitung von einem „Tüv-Hammer“. Denn Scheuer verkündete, man habe beschlossen, die Frist beim Ablauf des Tüv von zwei auf vier Monate zu verlängern. Dies könnten Bundesländer und Polizei berücksichtigen. „Ist alles kein Thema“, so der Minister.

Ist es aber offenbar doch. Denn in der Praxis entstehen durch Scheuers Vorstoß einige Probleme – zum Nachteil der betroffenen Autofahrer. „Wenn bei einem Unfall mit einem Fahrzeug mit abgelaufenem Tüv technische Mängel im Spiel sind, kann der Verursacher in Regress genommen werden“, warnt Verkehrspolitiker Bernd Reuther (FDP).

Laut der Prüforganisation Dekra gibt es in der Praxis aber auch noch ein weiteres Problem. Denn laut Dekra behält die Straßenverkehrszulassungsordnung trotz Scheuers Vorschlägen grundsätzlich ihre Gültigkeit – und damit auch die darin enthaltene Vorschrift, dass Fahrzeughalter, die ihr Fahrzeug mehr als zwei Monate zu spät zur Hauptuntersuchung vorstellen, mit einer vertieften Prüfung rechnen müssen. Was viele Autofahrer nicht wissen dürften: Diese ist rund 20 Prozent teurer als die normale Hauptuntersuchung.

Die Vorschläge von Verkehrsminister Scheuer beziehen sich demnach lediglich auf die Polizei, die im Straßenverkehr Kulanz zeigen soll, sprich: Fahrer mit einer bis zu vier Monate abgelaufenen Tüv-Plakette nicht verwarnen soll. Üblicherweise beträgt die Frist hier lediglich zwei Monate.

Gleichzeitig hatte das Bundesverkehrsministerium vorgeschlagen, dass Fahrzeughalter zwei statt einem Monat Zeit bekommen sollen, um bei einer Hauptuntersuchung festgestellte Mängel am Fahrzeug beheben zu lassen. „Dieser Empfehlung sind außer Bremen fast alle Bundesländer nachgekommen und haben die Überwachungsorganisationen dazu aufgefordert, dies so zu handhaben, was Dekra auch tut“, teilte ein Sprecher mit.

Die Frage, warum man im Zuge der Änderungen nicht auch die erhöhten Kosten für eine vertiefte Hauptuntersuchung vorübergehend angepasst hat, ließ das Verkehrsministerium unbeantwortet.

Ähnlich wortkarg zeigte sich der Automobil-Club ADAC, der die Fristverlängerung bei der Erneuerung der Tüv-Plakette nach Bekanntwerden Ende März noch überschwänglich gelobt hatte. „Damit ist der Widerspruch zwischen den Notwendigkeiten der Krise und den gesetzlichen Vorschriften für die Hauptuntersuchung aufgehoben“, hatte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand gejubelt. Natürlich sollten Autofahrer darauf achten, Fahrzeuge nur in verkehrssicherem Zustand zu nutzen.

Verkehrspolitiker Reuther versteht die ganze Aufregung um die Plakette sowieso nicht: „Aus meiner Sicht gibt es auch keine Notwendigkeit, mit dem Tüv momentan zu warten.“ Technisch lasse sich das alles problemlos abwickeln – ohne dass eine Gefahr für die Gesundheit bestünde. Scheuer hatte seinen Vorstoß damit begründet, dass viele Autofahrer momentan nicht die Möglichkeiten hätten, ihre Tüv-Plakette zu verlängern. Bei der Dekra zeigt man sich entspannt: „Aktuell sind alle Dekra-Prüflokationen bundesweit und flächendeckend – unter strengen Vorsichtsmaßnahmen zum Infektionsschutz – zu den normalen Öffnungszeiten geöffnet.“

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