Die Ministerin und ihre Doktorarbeit Schavans schwerste Woche

Berlin/Düsseldorf · Aus den eigenen Reihen und aus der Wissenschaft bekam Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gestern großen Rückhalt. Dennoch muss sie um ihren Doktortitel und um ihr Ministeramt bangen. Die Ministerin gibt sich kämpferisch und arbeitet an einer Stellungnahme für die Uni Düsseldorf.

Guttenberg-Rücktritt: So reagieren Merkel und Schavan
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Der Terminkalender von Bundesbildungsministerin Annette Schavan sah am Montag nur routinierte Amtsführung vor. Keine öffentlichen Auftritte, keine Reden, keine Pressekonferenzen. Dennoch war alles anders im Ministerium. Gut 24 Stunden nach Veröffentlichung des vernichtenden Gutachtens über ihre mehr als 30 Jahre alte Doktorarbeit ist die CDU-Politikerin in die Offensive gegangen. "Kämpferisch" sei sie und "sehr auf die Sache konzentriert", hieß es aus ihrem Umfeld.

Etliche Wissenschaftler meldeten sich am Montag bei der Ministerin und versicherten ihre Unterstützung. Viele kritisierten die Indiskretion der Universität Düsseldorf, durch die das Gutachten öffentlich geworden ist. "So geht man unter Wissenschaftlern nicht miteinander um", versicherten viele der Ministerin am Telefon.

Die Mitglieder des Promotionsausschusses der Uni Düsseldorf und ihre Stellvertreter hatten nach Informationen unserer Redaktion das Gutachten des Prodekans und Professors für Jüdische Studien, Stefan Rohrbacher, per E-Mail erhalten. Sie sollten sich damit auf die für Dienstag geplante Sitzung des Promotionsausschusses vorbereiten. Damit hatte ein Kreis von mindestens 15 Personen Zugriff auf das brisante Papier.

Früherer Unirektor "fassungslos"

Unirektor Hans Michael Piper kündigte an, der Sache nachzugehen, wie das Gutachten an die Öffentlichkeit kommen konnte, und dies zu "ahnden". Er rief die Mitglieder des Promotionsausschusses dazu auf, sich "bei der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung" nicht ablenken zu lassen.

Der frühere Rektor der Heinrich-Heine-Universität, Gert Kaiser, zeigte sich tief getroffen: "Ich bin fassungslos, und mein Zorn gilt dem Menschen aus dem Prüfungsausschuss, der den Entwurf weitergeleitet hat", sagte Kaiser. "Die Uni hat einen großen Schaden erlitten und hat nun nur noch wenig Handlungsspielraum." Die Hochschule müsse jetzt ihre Glaubwürdigkeit wahren.

Selbst die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die angesehene Selbstverwaltungseinrichtung der deutschen Wissenschaftslandschaft, ließ sich zu kritischen Bemerkungen hinreißen. DFG-Präsident Matthias Kleiner zeigte sich "irritiert" über die Vorkommnisse.

Professor Wilhelm Gössmann, 85 Jahre alt, langjähriger Germanistik-Professor an der Heinrich-Heine-Uni, äußerte sich ebenfalls entsetzt. Es könne doch nicht sein, dass Mitglieder der Universität Gutachten an die Presse weiterreichten, bevor die Betroffenen überhaupt Stellung nehmen könnten, sagte Gössmann. Er selbst habe die Arbeit Schavans gelesen und halte sie "für eine fachlich fundierte Arbeit".

Seibert: Erfolgreiche Bildungsministerin

Auch politisch hat Schavan Rückhalt: Am vergangenen Wochenende hatte sie mehrfach mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert und sich ihrer Rückendeckung versichert. Die beiden gelten seit vielen Jahren als enge Vertraute. Merkel hatte Schavan 2005 aus Baden-Württemberg ins Bundeskabinett geholt und auch in innerparteilich schwierigen Situationen wie bei dem CDU-internen Streit über das dreigliedrige Schulsystem zu ihrer Ministerin gehalten.

Bis zur endgültigen Entscheidung der Universität Düsseldorf hat Schavan die Unterstützung ihrer Parteifreunde. Sie habe "vollstes Vertrauen" in ihre Ministerin, sagte Merkel. Schavan sei eine "erfolgreiche Bildungsministerin", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und der CDU-Bildungsexperte Michael Kretschmer argumentierten ähnlich, warnten vor Vorverurteilungen.

Und während SPD und Grüne an der Glaubwürdigkeit Schavans kratzen und Internet-Plagiatsjäger offen den Rücktritt der Bildungsministerin fordern, legte sich die unter Druck stehende Ministerin am Wochenende eine Gegenstrategie zurecht. Zunächst ließ sich Schavan von der Universität Düsseldorf das kritische Gutachten kommen, von dem sie durch die Medien erfahren hatte. Nun will sie eine umfassende schriftliche Stellungnahme zu den Vorwürfen erarbeiten.

Schavan: Ich lasse mir das nicht bieten

Das Gutachten moniert dem Magazin "Spiegel" zufolge vor allem, dass Schavan an mehreren Stellen philosophische Autoren aus der Sekundärliteratur zitiert, dies aber nicht kenntlich gemacht habe. Die CDU-Politikerin wittert hinter den Vorwürfen eine politische Aktion. Dass sie absichtlich getäuscht habe, weist sie vehement zurück. "Ich lasse mir das nicht bieten", sagte die CDU-Ministerin sogar. Ungewöhnlich herbe Töne für die als diskret, zurückhaltend und höflich geltende Politikerin.

In Uni-Kreisen kursieren verschiedene Varianten, wie es nun weitergeht. Die erste: Der Promotionsausschuss wird dem Fakultätsrat empfehlen, Schavan den Doktortitel abzuerkennen. Manches spricht für diese Variante: Der Autor des Gutachtens hat an der Universität eine hohe Reputation, gilt als akribisch und besonnen. Dennoch ist es für die Uni eine Riesenpanne, dass das Gutachten ohne vorherigen Feinschliff an die Öffentlichkeit gelangte. Auf diese Weise ist nun der Weg verbaut, dass sowohl Universität wie auch Ministerin mit einem gesichtswahrenden Ergebnis aus dem Prüfverfahren hervorgehen.

Nun muss die Uni das Gutachten entweder in Teilen deutlich revidieren oder die harte Konsequenz ziehen und der Ministerin den Titel wegen Täuschung aberkennen. Bevor es allerdings so weit kommen kann, muss in jedem Fall die Ministerin selbst zu Wort kommen. Eine offizielle Aufforderung, zu dem Plagiatsvorwurf gegen ihre Dissertation Stellung zu nehmen, hat sie bislang noch nicht erhalten. Damit wird in den nächsten Tagen gerechnet.

Diskutiert wird in Uni-Kreisen auch, sich öffentlich bei Schavan für die Indiskretion zu entschuldigen. In jedem Fall trifft der Fakultätsrat die Entscheidung, ob die Bildungsministerin weiter den "Dr." in ihrem Namen tragen darf. Er kann auch einen weiteren externen Prüfer einschalten. Auch diese Variante wurde am Montag intern in Düsseldorf diskutiert.

(brö/qua)
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