Interview Schavan ruft Union zur Ordnung

Berlin (RP). Bildungsministerin und CDU-Vize-Chefin Annette Schavan warnt die starken Männer in der Union davor, ihren persönlichen Aufmerksamkeitswert zu steigern. Die Kanzlerin nimmt sie vor Angriffen in Schutz.

 Bildungsministerin Annette Schavan will Bachelor- und Masterstudiengänge reformieren.

Bildungsministerin Annette Schavan will Bachelor- und Masterstudiengänge reformieren.

Foto: ddp, ddp

Die Union wirkt zerstritten. Hat die Kanzlerin den Laden nicht im Griff?

Schavan: Doch, das hat sie. Aber wir müssen aufhören, eigene Verantwortung auf die Kanzlerin zu schieben — und das sage ich sehr klar in die Union hinein.

Wer ist mit der eigenen Verantwortung gemeint?

Schavan: Jeder, der in Partei, Fraktion und in den Ländern Verantwortung trägt, muss seinen Beitrag zur Geschlossenheit leisten. Die Lage in Deutschland ist ernst. Die Bürger erwarten von uns, dass wir Probleme lösen und uns nicht mit der Frage beschäftigen, wie man den Aufmerksamkeitswert für sich persönlich steigern kann.

Beim Thema Jobcenter hat die Kanzlerin schlecht moderiert und die Fraktion zu spät eingebunden . . .

Schavan: Nein. Die Verantwortung liegt beim Arbeitsminister. Kollege Scholz ist dafür zuständig, ein Reformkonzept für die Jobcenter vorzulegen, das praktikabel und zukunftsfähig ist und das unserer Verfassung entspricht. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei den Ministerpräsidenten oder der CDU. In einer Regierung gibt es klare Ressortverteilungen. Aus denen kann man sich auch nicht verabschieden, wenn Kompromisse nicht mehrheitsfähig sind.

Die SPD wirft der Kanzlerin vor, sie sei nur noch Geschäftsführerin.

Schavan: Die SPD hat so wenig Eigenes vorzuweisen, dass sie glaubt, ihren Wahlkampf mit Kritik an der Kanzlerin bestreiten zu können. Die Rechnung wird nicht aufgehen.

Die CDU wird auch von ihrer Schwesterpartei CSU verbal beschossen. Ist dies ein Grund für die schlechten Umfragewerte?

Schavan: Wir hatten schwierige Wochen. Ich gehe aber davon aus, dass wir wieder gemeinsam arbeiten. Wenn die Union nicht einig ist, nehmen uns die Bürger das übel. Die Stammwähler der Union sind aber auch über den Umgang der Kanzlerin mit der Vertriebenen-Präsidentin und über die Kritik am Papst verärgert.

Wie wollen Sie die Konservativen zurückgewinnen?

Schavan: Unser Konservatismus muss deutlich machen, dass wir die Welt begriffen haben, wie sie heute ist. Wir brauchen einen kraftvollen Konservatismus, wie ihn Franz-Josef Strauß definiert hat, der an der Spitze des Fortschritts steht. Wir müssen das Konservative mit Neugierde auf Zukunft verbinden.

Wie wollen Sie das den Stammwählern vermitteln?

Schavan: Dadurch, dass wir nicht vorschnell aufgeben, was unsere Wähler für bewahrenswert halten. Wir müssen eine wertgebundene Politik machen, die nicht beliebig wirkt.

Können Sie Beispiele nennen?

Schavan: Im internationalen Vergleich tun wir viel für den Lebensschutz. Beim Thema Zuwanderung verbinden wir die Integration mit klaren Wertvorstellungen. Wir haben mit der falschen Vorstellung von Multikulti Schluss gemacht. In der Bildungspolitik betonen wir die Werteerziehung. Und wir stärken insgesamt eine Politik der Nachhaltigkeit, die zur Bewahrung der Schöpfung führt.

Von Seiten der wirtschaftsliberalen Unionsanhänger wird der Kanzlerin vorgeworfen, sie sei zu sozialdemokratisch. Was haben Sie denen zu bieten?

Schavan: Wir müssen die Positionen der Ordnungspolitiker und der Krisenmanager zusammenbringen. Die Krise lässt sich nicht mit einem Blick ins Lehrbuch lösen. Die Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft gelten selbstverständlich weiter. Aber sie müssen für die aktuelle Lage übersetzt werden. Auch der FDP werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Welches Wahlergebnis erwarten Sie im Bund? 30 + x oder 35 + x Prozent?

Schavan: Für eine Prognose ist es zu früh. Die aktuellen Umfragewerte sind Momentaufnahmen. Ich erwarte, dass die Union eine klare Führungsrolle in der nächsten Regierung haben wird.

Die Kanzlerin wird von der SPD scharf angegriffen, sie selbst lobt die Arbeit mit dem Koalitionspartner. Warum?

Schavan: So ist sie. Das gehört zu ihren Stärken. Wer lobt, führt. Wer stänkert, hat mit sich Probleme.

(RP)
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