Hans Filbingers Rolle in der Nazizeit Scharfe Kritik an Oettingers Rede

Berlin (RPO). Mit seiner Würdigung des gestorbenen CDU-Politikers Hans Filbinger hat der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei, der Zentralrat der Juden und bekannte Schriftsteller warfen dem CDU-Politiker eine Verdrehung der Tatsachen vor.

Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch sprach am Donnerstag von einer "verletzenden Perversion der historischen Realität", die baden-württembergische SPD-Vorsitzende Ute Vogt von "Geschichtsklitterung", die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth von "abstrusen Umdeutungsversuchen". Oettinger hatte bei der Trauerfeier am Mittwoch in Freiburg erklärt, Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen. Der CDU-Politiker hatte 1978 nach zwölf Jahren seinen Posten als baden-württembergischer Ministerpräsident räumen müssen, weil er während der Nazi-Zeit als Jurist an Todesurteilen mitgewirkt hatte. Filbinger selbst hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Roth erklärte, Oettinger werde es nicht gelingen, aus Filbinger im Nachhinein einen Widerstandskämpfer zu machen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linkspartei, Ulrich Maurer, sagte, Filbinger sei in Wahrheit ein willfähriger Diener des Nazisystems gewesen.

Der Schriftsteller Rolf Hochhuth bezeichnete Filbiger im Sender N-TV als "sadistischen Kriegsverbrecher". Dies gehe aus drei Büchern über den Filbinger-Prozess und aus dem Bundesarchiv in Koblenz sowie aus der gerichtlichen Entscheidung hervor, "dass ich Filbinger einen furchtbaren Juristen nennen darf". "Erschüttert und entsetzt" zeigte sich in einem Interview der "Leipziger Volkszeitung" auch der Publizist Ralph Giordano, der Oettinger den Rücktritt nahe legte.

Unterstützung von der CDU

Unterstützung erhielt Oettinger dagegen aus den eigenen Reihen. Der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Stefan Mappus, sagte, der Regierungschef habe eine gute, ausgewogene und dem gesamten Leben von Filbinger angemessene Würdigung des Verstorbenen vorgenommen. "Mit dem Tod des langjährigen Ministerpräsidenten sollten auch reflexartige Diskussionen zu seiner Person enden." Filbinger war am 1. April im Alter von 93 Jahren gestorben.

Der frühere baden-württembergische SPD-Vorsitzende Erhard Eppler erklärte im SWR, er könne sich nicht vorstellen, dass jemand aus der Generation Oettingers ein endgültiges Urteil über Filbinger sprechen könne. Die Äußerung Oettingers sei mindestens sehr pauschal. Filbinger sei in manchen Dingen mit dem Regime einig gewesen und in anderen nicht. "Er war wahrscheinlich weder ein wirklicher Nazi, noch war er ein entschiedener Gegner. Das war das Normale damals."

Oettinger hatte bei der Trauerfeier im Freiburger Münster gesagt: "Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes. Allerdings konnte er sich den Zwängen des Regimes ebenso wenig entziehen wie Millionen andere."

(afp)
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