Trittin spricht von verfehlter Politik Scharfe Kritik an geplanter Hartz-IV-Reform

Berlin (RPO). Die Bezüge von Hartz-IV-Empfängern sollen nach dem Willen von Ministerin von der Leyen (CDU) im Gleichklang mit Preisen und Löhnen steigen. SPD und Grüne kritisieren dieses Vorhaben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin spricht von einer verfehlten Politik. Hannelore Kraft (SPD) kritisiert die Bildungschipkarte.

Von der Leyens Chipkarten-Projekt
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Foto: ddp

Berlin (RPO). Die Bezüge von Hartz-IV-Empfängern sollen nach dem Willen von Ministerin von der Leyen (CDU) im Gleichklang mit Preisen und Löhnen steigen. SPD und Grüne kritisieren dieses Vorhaben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin spricht von einer verfehlten Politik. Hannelore Kraft (SPD) kritisiert die Bildungschipkarte.

Trittin sagte unserer Redaktion: "Arbeitsministerin von der Leyen drückt sich um die Frage, wie hoch die Grundhöhe der Regelsätze tatsächlich liegen sollen. Die Debatte um Sachleistungen für Bildung und die Bildungschipkarte lenken von dem Kern des Problems ab." Der Regelbetrag müsse auf 420 Euro angehoben werden.

Trittin fügte hinzu: "Das Modell der Bildungschipkarte hilft nicht. Denn es handelt sich um eine freiwillige Leistung der Kommunen. Das heißt, Städte wie Düsseldorf werden sie zur Verfügung stellen können. In Duisburg und Gelsenkirchen, wo Haushaltsnotlage herrscht, wird dies nicht möglich sein. Hier aber wird sie gebraucht."

Von der Leyen wies die Kritik zurück. Über die neue Höhe der Leistungen könne nichts gesagt werden, bis die alltäglichen Ausgaben von 60.000 Haushalten nicht berechnet seien. Das sei ein sehr aufwendiges Verfahren.

Kraft gegen Bildungschipkarte

Nach dem Willen von der Leyens sollen unter anderem über eine Bildungschipkarte Leistungen wie Nachhilfe, einen Zuschuss fürs Mittagessen oder Lernmittel für hilfsbedürftige Kinder angeboten und abgerechnet werden. Das kritisiert NRW-Ministerpräsidentin Kraft.

Unumstritten sei zwar, dass den Kindern auch Sachleistungen und nicht nur den Familien mehr Geld gewährt werden soll. "Aber es wäre besser, das Geld direkt an die Kitas und die Schulen für kostenlose Mittagessen und Lernmittelfreiheit zu geben", sagte Kraft der "Neuen Westfälischen Zeitung". Denn da bestehe der größte Bedarf. Die Chipkarte benötige eine aufwändige Infrastruktur mit Lesegeräten, kritisiert die Sozialdemokratin. Diese Mittel könne man besser verwenden, sagte die Ministerpräsidentin.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, rechnet derweil nicht mir einer Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. "Manche reden schon von 400 Euro im Monat oder mehr. Dazu wird es nicht kommen", sagte Landsberg den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".

Eine Erhöhung sei auch nicht zwingend. "Unbedingt erforderlich ist, dass der Bildungsbedarf von Kindern künftig bei Hartz IV abgedeckt wird", sagte Landsberg. "Da geht es um so genannte Teilhabe-Pakete mit Lernförderung, Kultur, Sport und einem Zuschuss zum Schulessen." Es sei richtig, "auf Sachleistungen zu setzen und nicht immer gleich auf Bargeld", sagte Landsberg.

Zur geplanten Kopplung des Arbeitslosengeldes II an Inflation und Lohnentwicklung sagte Landsberg: "Man muss einen praktikablen Weg finden, der sich realistisch am Bedarf von Hartz-IV-Beziehern orientiert. Es sollte dabei aber immer sichergestellt sein, dass das Lohnabstandsgebot gewahrt bleibt." Die Lücke zwischen dem Arbeitslosengeld II und den untersten Erwerbseinkommen dürfe nicht immer kleiner werden.

DGB: Armutszeugnis für die Regierung

Der Deutsche Gewerkschaftsbund warf der Ministerin vor, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar zu den Hartz-IV-Sätzen "möglichst billig umsetzen" zu wollen. DGB-Vorstandmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem "Armutszeugnis" für die Regierung. Nicht das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben, sondern die Kassenlage des Bundes stehe im Mittelpunkt.

Die FDP forderte Verbesserungen beim Zusatzverdienst für ALG-II-Empfänger. Generalsekretär Christian Lindner erklärte, bei der anstehenden Hartz-IV-Novelle dürfe es nicht nur um eine Neuberechnung der Regelsätze gehen.

Die Hinzuverdienstgrenzen sollten insbesondere oberhalb von 400 Euro so verändert werden, "dass es eine Leiter in den ersten Arbeitsmarkt gibt". Dazu sagte von der Leyen, neue Hinzuverdienstmöglichkeiten seien im Augenblick nicht im Gesetzentwurf enthalten. Generell sei es wichtig, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.

Geld für Internet und Praxisgebühr

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor sieben Monaten eine Neuregelung der Hartz-IV-Sätze verlangt, vor allem im Hinblick auf die Sätze für die rund zwei Millionen betroffenen Kinder. Die Kosten für einen Zugang zum Internet und die Praxisgebühr zählen mit der geplanten Reform zum Existenzminimum.

Die durchschnittlichen Kosten dafür sollen nach Angaben des Ministeriums bei der Berechnung der neuen Hartz-IV-Regelsätze berücksichtigt werden. Die genaue Höhe der monatlichen Zahlungen lässt der Gesetzentwurf noch offen. Die Zahlen will von der Leyen nächste Woche nachliefern, wenn die Auswertung einer Haushalts-Stichprobe vorliegt.

Die Kosten für das zusätzliche Bildungspaket, das speziell für die Kinder in Hartz-IV-Familien geschnürt ist, wird den Bund nach Einschätzung des Arbeitsministeriums etwa 620 Millionen Euro kosten. Das geht aus dem Gesetzentwurf hervor, den von der Leyen (an die Ministerien gab.

Bei der Umsetzung der vom Verfassungsgericht geforderten zusätzlichen Leistungen für Kinder beharrt von der Leyen indes nicht mehr auf der Einführung einer elektronischen Bildungskarte. "Das ist ein Angebot", sagte sie in Berlin. Sie sei aber offen für Vorschläge von den Verantwortlichen vor Ort.

(apd/RTR/ddp/KNA/AFP/das)
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