CDU in Baden-Württemberg Schäubles Schwiegersohn kandidiert für Parteivorsitz

Sindelfingen (RPO). Nach dem Wahldesaster der CDU in Baden-Württemberg versucht die CDU sich neu zu sortieren. Dabei will Thomas Strobl, bisheriger Generalsekretär der Partei und Schwiegersohn des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, gegen lautstarken Widerstand der Parteibasis für den Parteivorsitz kandidieren.

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Foto: dpa, cdt htf

Die Basis der Baden-Württemberg-CDU begehrt auf und die Parteispitze will davon offenbar nichts wissen: Frust und auch Misstrauen entluden sich am Mittwochabend in der Sindelfinger Stadthalle auf der erst nachträglich für alle Mitglieder geöffneten Basiskonferenz der Landespartei. Die CDU-Spitze kassierte heftige Kritik, die Stimmung sei teilweise "ganz schön geladen" gewesen, berichteten Teilnehmer.

Neben dem scheidenden Landesparteichef Stefan Mappus hatte sich insbesondere Generalsekretär Strobl massive Vorwürfe anhören müssen. So seien mehrere Rücktrittsforderungen gegen den 51-Jährigen ausgesprochen worden, der sich eigentlich für das Amt des Parteivorsitzenden bereitgestellt hatte. Doch nach Ende der Veranstaltung und mehrstündigen Debatte im Landesvorstand, erklärte Strobl überraschend seine offizielle Kandidatur.

Außerdem wurde der Landesparteitag verschoben, auf dem Mappus' Nachfolger gewählt werden soll. Eine Mehrheit der rund 1000 Teilnehmer hatte sich gegen den bisherigen Termin 7. Mai ausgesprochen. Der Landesvorstand beschloss, den Parteitag vor der Sommerpause abzuhalten.

Bis in die Nacht hinein wurde heiß diskutiert. Viele Teilnehmer verließen die Veranstaltung mit dem Gefühl, man habe offen reden können, wie sie sagten. Jetzt müsse die Führungsriege nur noch danach handeln und der Partei genügend Zeit für eine Nachfolgeregelung geben, damit sich auch noch ganz neue Kandidaten aufstellen lassen könnten.

Strobl hält Stimmung für nicht repräsentativ

Bereits vor der Konferenz hatte es Stimmen gegen Strobl gegeben, da er als Wahlkämpfer kein Neuanfang für die Partei bedeute. Auf der Konferenz wurden dann Vergleiche aus dem Fußball herangezogen: Wenn eine Fußballmannschaft absteige, werde auch nicht nur der Vereinspräsident, sondern auch der Trainer verantwortlich gemacht. Ein Delegierter resümierte, angesichts dieses Stimmungsbilds sollten Strobl und Hauk überdenken, sich zur Wahl zu stellen.

Strobl widersprach jedoch nach Ende der Gespräche Darstellungen, wonach es zahlreiche Rücktrittsaufforderungen gegenüber seiner Person und gleichzeitig Aufforderungen gegeben habe, der Landtagsfraktionsvorsitzender Peter Hauk solle kandidieren. "In meinen Augen ist es etwas anders gewesen", sagte er. Es habe Stimmen gegeben, die Hauk in beiden Ämtern hätten sehen wollen. "Es gab aber auch eine ganze Reihe von Stimmen, die sich für eine Doppelspitze ausgesprochen haben", sagte Strobl.

Hauk erklärte nach der Landesvorstandssitzung sichtlich verschwitzt und aufgewühlt, nun nicht mehr zu kandidieren. Er unterstütze eine Doppelspitze mit einem Bundespolitiker wie Strobl, der über Berlin den Einfluss der CDU im Land geltend machen könne, sagte er. Aus dem Umfeld der Fraktion hatte es noch vor Beginn der Landesvorstandssitzung geheißen, angesichts des Stimmungsbildes sei es unwahrscheinlich, dass jetzt noch eine Kandidatur erklärt werde. Auf der Konferenz fragten sich viele laut, wer überhaupt Lust habe, den Job zu machen. "Komisch, dass für das Amt des Landtagspräsidenten fünf kandidiert haben, für den Landesvorsitz keiner", bemerkte ein Kreisvorsitzender.

Viele Teilnehmer schilderten die Veranstaltung als eine Art Befreiungsschlag, ohne jedoch schon das Ergebnis der Landesvorstandsitzung zu kennen. "Die Basis hat wirklich Mal gesprochen und das, ohne jemanden persönlich zu verletzen", sagte etwa der Böblinger CDU-Kreisvorsitzende Wolfgang Heubach. "Das wäre auch die Lehre von heute: die Parteispitze kommt an der Basis nicht mehr vorbei." Diese Aussprache sei nach 58 Jahren Regierung eine echte Zäsur. Ein Teilnehmer fügte hinzu: "Die Parteispitze hatte nicht mehr das Gefühl dafür, wie es auf der Straße am Infostand ist."

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende von Uhningen im Landkreis Göppingen, Robert von Stieglitz, hoffte auf eine Wiederholung von Veranstaltungen dieser Art. Das sei für die Erneuerung der Partei wichtig. "So offene Kritik habe ich noch nie erlebt. Ich hab's Gefühl, wir fangen an, zu leben", sagte er. Er erwarte, dass die Stimmung von der Spitze ernst genommen werde.

Eine Delegierte aus Crailsheim verließ mit gemischten Gefühlen die Konferenz. Sie habe gehofft, dass ein paar aus der zweiten Reihe nach vorne gingen, um ihre Kandidatur zu erklären. "Aber bei uns gilt ja immer, der erste der sich aus der Deckung traut, ist verheizt", sagte sie.

Die Reaktion der Basis auf die Entscheidung des Landesvorstands wird sich voraussichtlich auf den vier Regionalkonferenzen zeigen, die vor dem Landesparteitag abgehalten werden sollen.

(DAP/felt)
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