Anwendung von Kriegsvölkerrecht Schäuble will Flugzeugabschuss doch erlauben

München (RPO). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hält an seinem Plan fest, dass ein entführtes Passagierflugzeug im Notfall doch abgeschossen werden kann. Dazu soll eine neue Passage ins Grundgesetz eingefügt werden. Einen ersten Versuch, den Abschuss zu erlauben, hatte Anfang 2006 das Bundesverfassungsgericht zunichte gemacht.

Mit einem im Grundgesetz verankerten "Quasi-Verteidigungsfall" will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble den Abschuss entführter Flugzeuge ermöglichen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, soll die Entführung eines Flugzeugs durch Terroristen einen solchen Quasi-Verteidigungsfall darstellen, der nach den Vorstellungen des CDU-Politikers zum Abschuss des Flugzeugs durch die Bundeswehr berechtige. Damit solle das für verfassungswidrig erklärte Luftsicherheitsgesetz verfassungsgemäß gemacht werden.

Im Quasi-Verteidigungsfall gelten laut Schäuble die Regeln des Kriegsvölkerrechts, vor allem die Regeln des Genfer Abkommens über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte, schreibt die Zeitung. Demnach seien nur Angriffe verboten, "die in keinem Verhältnis zu erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteilen stehen". Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bleibe laut Schäuble gewahrt, wenn zur Vermeidung einer noch größeren Katastrophe der Abschuss eines entführten Zivilflugzeugs, also die Tötung von unschuldigen Flugpassagieren, gesetzlich erlaubt wird.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Abwägung "Leben gegen Leben" als Verstoß gegen das Grundgesetz verboten. Demnach darf es keine staatliche Ermächtigung geben, einen oder mehrere Menschen zu opfern, umso vielleicht noch mehr Menschen zu retten. Das Gericht hatte sich bei seiner Entscheidung allerdings nicht mit der Frage befasst, wie die rechtliche Situation im Verteidigungsfall zu bewerten sei, weil dies damals nicht zur Debatte stand.

Laut Schäuble sei deshalb in seinem Haus geprüft worden, ob ein terroristischer Angriff als Verteidigungsfall gewertet werden könne, schreibt die Zeitung. Man habe sich zwar dagegen entschieden, den Angriff so zu benennen, stelle ihn aber "in seiner Qualität dem Verteidigungsfall gleich". Der neue Verfassungsartikel solle deshalb lauten: "Außer zur Verteidigung sowie zur unmittelbaren Abwehr eines sonstigen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt."

Schäuble erklärte, es sei im Koalitionsvertrag festgelegt worden, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz geprüft werden solle, "ob verfassungsrechtlicher Regelungsbedarf besteht". Dieser Bedarf habe sich auf Grund des Urteils ergeben.

Der FDP-Politiker Max Stadler mahnte Schäuble, das Urteil zu respektieren. Die Bindungswirkung von Entscheidungen des höchsten Gerichts sei "rechtsstaatliche Konstante in der Geschichte der Bundesrepublik". Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz bezeichnete Schäubles Pläne als nicht akzeptabel. Die Opferung unschuldigen Lebens könne nur verlangt werden, wenn das ganze Gemeinwesen auf dem Spiel stehe.

(afp)
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