Neuer Finanzminister Schäuble verbindet Machtwillen mit Vision

Berlin (RP). Es war der einsame Entschluss der Kanzlerin. Angela Merkel fragte vor Tagen ihren einstigen Widersacher Wolfgang Schäuble, ob er sich gesundheitlich in der Lage fühle, das Finanzministerium zu führen. Schäuble erbat sich Bedenkzeit und sagte zu. Für die Kanzlerin war damit die wichtigste Personalie unter Dach und Fach. So gelöst habe man sie lange nicht gesehen, sagen Parteifreund über sie.

 Wolfgang Schäuble (CDU) wird neuer Chef im Finanzministerium.

Wolfgang Schäuble (CDU) wird neuer Chef im Finanzministerium.

Foto: Ap, AP

Der gelernte Steuerjurist und frühere Mitarbeiter der Steuerverwaltung Baden-Württembergs ist kein Neuling in diesem Fach. In den Jahren von Bundeskanzler Helmut Kohl handelte der damalige Innenminister Schäuble nicht nur den Einheitsvertrag aus. Als Vorsitzender der Unionsfraktion ab 1991 und Kronprinz des Pfälzers brachte er 1996 die bis dahin umfassendste Reform der Einkommensteuer auf den Weg. Der unter dem Namen "Petersberger Beschlüsse" bekannt gewordene Umbauplan sah die Abschaffung der meisten Ausnahmetatbestände vor bei einer gleichzeitig deutliche Absenkung des Tarifs.

Ausgerechnet der heutige Konkurrent um das Amt, der FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms, war damals als FDP-Fraktionschef die größte Stütze des ehrgeizigen CDU-Politikers. Union und Liberale scheiterten damals am erbitterten Widerstand des SPD-dominierten Bundesrats, den ein gewisser Oskar Lafontaine, damals Parteichef und saarländischer Ministerpräsident, anführte.

Eine Karriere mit Stolpersteinen

Schäuble ist also ein Steuer- und Finanzexperte hinreichend ausgewiesen. In Machtfragen ist der seit 1972 im Bundestag vertretene Politiker ebenfalls erfahren. Allerdings blieb seine Karriere nicht frei von schweren Brüchen. Das Attentat im Jahr der Einheit setzte ihn für Monate außer Gefecht und verbannte ihn zeitlebens in den Rollstuhl. Ein Schicksal, das der protestantische Badener aus Gengenbach mit preußischer Disziplin meisterte.

Der zweite Bruch erfolgte nach der Wahlniederlage Kohls im Jahr 1998. Hatte er es zuvor nicht geschafft, den Altkanzler rechtzeitig abzulösen, so verhedderte er sich als neuer CDU-Chef nach Kohl in der Spendenaffäre. So musste er zugeben, eine

-Mark-Spende vom Rüstungslobbyisten Karl-Heinz Schreiber erhalten zu haben. Der bizarre Streit darüber, wie diese Spende an die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister ging, wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Schäuble musste zurücktreten, seine Nachfolgerin wurde Merkel, der einige in diesem Zusammenhang eiskalte Machtpolitik vorwarfen.

Die Erfahrung und die hohe analytische Gabe des mittlerweile 67-Jährigen könnten dem Badener eine Alterskarriere bescheren, wie es sie nur selten in der Bundesrepublik gab, Konrad Adenauer einmal ausgenommen. Denn vor dem CDU-Politiker liegt die Bewältigung der schwierigsten Wirtschaftskrise. Zugleich muss er die richtige Dosierung der finanzpolitischen Gegenmittel finden und den Umbau des im Kern hocheffizienten, aber durch politische Interessen verhunzten Steuersystems einleiten. Er dürfte in dieser Legislaturperiode zur wichtigsten Stütze der Kanzlerin werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort