Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Warum die neue SPD-Spitze umstritten ist

Düsseldorf · Die SPD will mit einer neuen Spitze aus dem Tal der Tränen. Doch das Duo hat nicht nur Fans. Hinter dem „Robin Hood“-Image von Norbert Walter-Borjans steckt eine zweifelhafte Regierungsbilanz in NRW. Und auch Saskia Esken ist umstritten.

 Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung zum SPD-Vorsitz im Willy-Brandt-Haus.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung zum SPD-Vorsitz im Willy-Brandt-Haus.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Den wortgewandten Chef  der Bundes-FDP erlebt man selten sprachlos. „Ich bin völlig baff“, twitterte Christian Lindner am Wochenende kurz nach der Wahl der neuen SPD-Spitze. Dass ausgerechnet Norbert Walter-Borjans (67) und Saskia Esken (58) nun die Bundes-SPD aus der Krise führen sollen, hielten vor deren Triumph beim Bundesparteitag nur wenige für möglich.

Am meisten staunen scheinbar jene, die Walter-Borjans aus der Nähe kennen. So wie Christian Lindner, der damals im Düsseldorfer Landtag auf  der Oppositionsbank saß, als der leidenschaftliche Hobby-Bildhauer Walter-Borjans von 2010 bis 2017 im Kabinett von Hannelore Kraft (SPD) das Finanzressort verantwortet hat.

Offenbar wird der Sohn eines Schreiners und einer Schneiderin, der später in Köln promovierte und dort noch heute lebt, im  Rest der Republik anders wahrgenommen als in NRW. Im Gegensatz zu den meisten anderen Landespolitiker ist es dem vierfachen Familienvater nämlich gelungen, einen bundesweit strahlenden Markenkern mit seinem Spitznamen „Nowabo“ zu verknüpfen: Seine konsequente und objektiv erfolgreiche Jagd auf Steuersünder im In- und Ausland machte ihn zum bundesweit bekannten „Robin Hood der Steuerzahler“.

Die Methode: Nowabo kaufte systematisch gestohlene Bankdaten vor allem aus dem Ausland auf, um deutsche Steuersünder zu enttarnen, die dort ihr Geld versteckt hatten. Über sieben Milliarden Euro holte er mit elf solcher so genannten Steuer-CDs in die Staatskasse. Auch, weil sich immer mehr Täter aus Angst vor den Fahndern selbst anzeigten. Dabei verhinderte Nowabo sogar ein vom damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits unterschriebenes Steuerabkommen mit der Schweiz, das den künftigen Ankauf von Steuer-CDs verhindert hätte.

Anders als auf Bundesebene kennt man in NRW aber auch noch den anderen Nowabo. Den, der nicht als „Robin Hood“ durch die Talkshows tingelte. Man erinnert sich mehr an den NRW-Finanzminister, dem seine Regierungsgeschäfte bisweilen über den Kopf zu wachsen schienen.

Nicht nur, weil er reihenweise verfassungswidrige Haushaltspläne vorlegte. Auch seine Reform der Beamtenbesoldung scheiterte vor dem Verfassungsgericht. Walter-Borjans war auch einer der ersten deutschen Politiker, der mit dem Kunstschatz der WestLB eine staatliche Kunstsammlung verscherbeln wollte. Dass der Parteilinke bei diesem Privatisierungsplan ausgerechnet von Politikern der CDU und FDP gestoppt wurde, gehört zu den Kuriositäten der Landesgeschichte.

Überhaupt gehört seine Zeit im Aufsichtsrat der WestLB zu den peinlicheren Episoden seiner  Laufbahn. Denn während Walter-Borjans sich bundesweit als unerbittlicher Steuersünder-Jäger feiern ließ, flog in Düsseldorf auf, dass eben jene WestLB unter seiner Aufsicht dubiose Geschäfte in allen wichtigen Steueroasen der Welt betrieb.

Seine Tandem-Partnerin an der SPD-Spitze, die 58-jährige Saskia Esken, ist bundespolitisch bislang kaum bekannt. Die Mutter dreier erwachsener Kinder sitzt seit 2013 im Bundestag, ist Mitglied der „Parlamentarischen Linken“ der SPD-Fraktion. Geboren in Stuttgart, aufgewachsen in Böblingen, wurde sie vom sozialen und politischen Engagement ihrer Eltern geprägt.

Sie war zunächst in  der Gastronomie, als Fahrerin und Schreibkraft tätig. Sie brach ein Studium der Germanistik in Stuttgart ab und absolvierte dann eine Ausbildung als Informatikerin an der Akademie für Datenverarbeitung Böblingen. Heute ist sie heute im Bundestag Expertin für Digitales – und setzt sich dafür ein, dass der digitale Wandel auch Menschen nutzt, die nicht Akademiker sind. Esken engagiert sich zudem gegen die extreme Rechte. In ihrem Wohnort Calw gründete sie eine Bürgerinitiative „Bündnis gegen Rechts“.

Ihre Unerschrockenheit und ihr großes Selbstbewusstsein hat manche Genossen gegen sie aufgebracht, als Vizechefin der Südwest-SPD war sie schon nach zwei Jahren wieder abgewählt worden. Auch ihr Ruf in der Fraktion ist umstritten. „Angst ist einfach nicht mein Ding“, sagt die Baden-Württembergerin.

Sie traut sich durchaus zu, die SPD wieder zusammen zu führen – und verweist darauf, dass ihr das ja als stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats von 2012 bis 2014 auch schon gelungen sei. Auf die Frage, ob sie auch Kanzlerin könne, sagte sie Ja.  Anders als Walter-Borjans hatte Esken vor dem Mitgliedervotum klar und deutlich den Koalitionsbruch angedroht. Nach dem Votum hat sie das am Samstag nicht mehr so deutlich formuliert.

Am Sonntagabend pochte Walter-Borjans auf Zugeständnisse des Koalitionspartners. Er halte die große Koalition auf Dauer nicht für die richtige Kombination, sagte er mit Blick auf das Bündnis mit CDU und CSU in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Aber wir sind drin, und wir müssen auf dieser Grundlage jetzt sagen, was zu tun ist. Und wenn dann eine Blockadehaltung des Koalitionspartners da ist für diese neuen Aufgaben, dann muss man die Entscheidung treffen, dass es nicht weitergeht.“

In der Sendung verwies er unter anderem auf den Klimaschutz. Nach dem Klimapaket dürfe sich nicht zurückgelehnt werden. „Es muss da weitergehen. Es muss wirksamere Mittel geben im Klimaschutz. Und es muss vor allen Dingen auch 'ne sozial gerechte Gestaltung geben.“ Er verwies zugleich auf die Notwendigkeit von Investitionen, etwa in die Infrastruktur. „Und da sind Dinge zu tun, die sind auf Dauer auch nicht stabil leistbar, wenn man an der schwarzen Null festhält.“

Esken betonte in der Sendung, seit der Verhandlung des Koalitionsvertrages habe sich einiges in Deutschland verändert. „Und auf dieser Grundlage kann man neue Vorhaben verhandeln, das steht ganz klar im Koalitionsvertrag drin.“

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