Neue Steuerschätzung bis 2026 Saftige Steuermehreinnahmen, trotzdem keine Euphorie

Berlin · Die Steuerschätzer rechnen für die kommenden Jahre bis 2026 mit einem deutlichen Anstieg der staatlichen Steuereinnahmen. Schon im kommenden Jahr könnte das zu Rekordeinnahmen führen. Finanzminister Christian Lindner spricht dennoch von „höchster Unsicherheit“ und pocht auf Haushaltsdisziplin.

 Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte am Donnerstag das Ergebnis der Herbst-Steuerschätzung vor.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte am Donnerstag das Ergebnis der Herbst-Steuerschätzung vor.

Foto: dpa/Oliver Berg

Trotz Energiekrise und düsteren wirtschaftlichen Aussichten kann der Staat mit einem kräftigen Anstieg der Steuereinnahmen rechnen. Die neue Steuerschätzung für die Jahre bis 2026 kommt zu dem Ergebnis, dass Bund, Länder und Kommunen rund 126,4 Milliarden Euro mehr einnehmen werden als noch im Mai erwartet. Besonders für die Jahre 2024 bis 2026 fällt die Prognose deutlich besser aus als in der Mai-Schätzung: ein Plus von rund 28,3 Milliarden Euro in 2024 bis zu einem Plus von rund 46,8 Milliarden Euro in 2026. Für 2023 wird bereits mit Mehreinnahmen von rund 8,9 Milliarden Euro gerechnet – das würde Rekordeinnahmen von 937,3 Milliarden Euro bedeuten. Für das laufende Jahr gehen die Steuerschätzer allerdings von 1,7 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen aus als zuletzt angenommen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die Zahlen am Donnerstag vorstellte, wollte keine Euphorie aufkommen lassen und sprach ein mehrfaches „Achtung“ aus. Man dürfe sich von den prognostizierten Einnahmen nicht täuschen lassen, so der Minister. Die Ergebnisse seien „von höchster Unsicherheit“ gekennzeichnet. „Hohe Energiepreise und Knappheiten auf der Angebotsseite bescheren uns Inflationsraten, die viele in unserem Land noch nicht erlebt haben“, sagte Lindner. Er rechnet damit, dass die Inflation auch höhere staatliche Ausgaben mit sich bringen wird. Hinzu kommt, dass einige der von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen noch im parlamentarischen Verfahren und daher bei dieser Schätzung noch nicht berücksichtigt sind.

Zugleich aber spült die hohe Inflation mehr Geld in die staatlichen Kassen. Denn die Preissteigerungen bringen höhere Steuereinnahmen mit sich, solange der Konsum nicht deutlich einbricht. Lindner machte zwei weitere Gründe für die erwarteten Mehreinnahmen aus: Die Schätzergebnisse seien getragen von einem „sehr robusten Arbeitsmarkt“ und von zum Teil „sehr guten Ergebnissen der Unternehmen“, so der Minister. Führende Wirtschaftsinstitute rechnen jedoch für 2023 mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote.

Grund dafür ist auch der erwartete Konjunktureinbruch. So geht die jüngste Herbstprojektion der Bundesregierung von einer Rezession für das zweite Halbjahr dieses Jahres und für das erste Quartal im kommenden Jahr aus. Demnach dürfte das Bruttoinlandsprodukt in 2023 um 0,4 Prozent gegenüber 2022 sinken. Neben diesen trüben Aussichten sprach Lindner von weiteren Abwärtsrisiken – „das heißt, es kann wirtschaftlich auch deutlich schlimmer kommen, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Steuereinnahmen“, so der FDP-Politiker. Lindner will die Schuldenbremse im kommenden Jahr wieder einhalten und mahnte erneut Haushaltsdisziplin an: „Spielräume für zusätzliche Ausgaben gibt es keine.“

Widerspruch kam aus der eigenen Koalition. „Sparen in der Krise verschärft nur die Notlage und gefährdet so auch die Steuereinnahmen“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven-Christian Kindler, unserer Redaktion. „Wir müssen zusätzliche Spielräume nutzen, um in unsere Zukunft zu investieren, um so auch die Steuereinnahmen der Zukunft zu sichern.“ Der Grünen-Politiker beschrieb die Steuerschätzung als „Appell für eine aktive Finanzpolitik“. Kindler rief die Länder auf, sich „der gesamtstaatlichen Verantwortung inklusive der fairen Finanzierung in dieser Krise“ zu stellen.

Zuspruch für mehr Ausgabendisziplin fand Lindner ausgerechnet in der Opposition. „Die Ampel muss endlich die Schulden begrenzen und ihr Ausgabenprogramm der neuen Wirklichkeit anpassen“, sagte Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, unserer Redaktion. Der CDU-Politiker sprach von einer „absurden Situation“ angesichts der Steuerschätzung. „Während viele Bürger angesichts der steigenden Preise nur schwer über die Runden kommen, profitiert der Staat von höheren Steuereinnahmen.“

Skeptische Töne waren aus den Ländern zu hören, die laut Steuerprognose auch mit deutlichen Mehreinnahmen rechnen können. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) sagte: „Die aktuelle Steuerprognose erscheint mir zu optimistisch, ich bin da eher skeptisch.“ Die Schätzung werde begleitet von vielen Unsicherheiten. „Das Krisenmanagement der Ampel ist äußerst chaotisch“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. „Zum dritten Entlastungspaket ist nach dem groß verkündeten ,Doppel-Wumms‘ vor nunmehr knapp zwei Monaten nahezu nichts weitergegangen“, betonte Füracker.

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