Streitthema Rundfunkbeitrag Der Glaubenskrieg um die öffentlich-rechtlichen Sender

Analyse · Das Land Sachsen-Anhalt hat die Erhöhung der Abgabe für die Beitragszahler erst einmal gestoppt – um die dortige Koalition zu retten. Jetzt wollen die Rundfunkanstalten vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Dabei geht es um mehr als ein paar Cent – um die Stellung der Öffentlich-Rechtlichen im demokratischen Gefüge.

 Münzgeld liegt auf Formularen für den Rundfunkbeitrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Münzgeld liegt auf Formularen für den Rundfunkbeitrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Foto: dpa/Arno Burgi

WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hat einen Begriff geprägt, der „Wort des Jahres“ hätte werden können. Den Rundfunkbeitrag, der seit 2013 von allen Haushalten erhoben wird, bezeichnete er einmal als „Demokratieabgabe“ und löste damit eine kontroverse Diskussion aus. Auch in diesem Jahr beteiligt sich der bekannte Wahlmoderator und Chef der WDR-Programmdirektion für Information, Fiktion und Unterhaltung an der Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro, die an der ablehnenden Haltung des Landes Sachsen-Anhalt gescheitert ist. „Wir haben einen Programmauftrag, den uns die Länder erteilt haben“, verteidigt der Journalist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Anstieg der Zwangsabgabe. „Daraus ergibt sich, dass wir eine bestimmte Finanzierung benötigen, um diesen Auftrag erfüllen zu können. Das Land Sachsen-Anhalt will diese Rechnung offenbar jetzt nicht mehr bezahlen, obwohl es dem Programmauftrag in vielen Staatsverträgen zugestimmt hat“, meint Schönenborn.

Damit zeigt der Fernseh-Chef das ganze Dilemma des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf. Die Sender von ARD, ZDF und Deutschlandradio, insgesamt 74 Radio- und 21 TV-Stationen, erfüllen diesen Auftrag und leisten mit ihrer unabhängigen Berichterstattung einen Dienst für die Demokratie. Andererseits sind sie im Auftrag der jeweiligen Landesparlamente als Vertretungen der Beitragszahler unterwegs. Das letzte Wort haben also die Landtage von Kiel über Magdeburg und Düsseldorf bis München. Es geht dabei um die Rundfunkfreiheit und die Unabhängigkeit vor finanzieller Knebelung, aber auch um die Verantwortung gegenüber den gewählten Vertretern der einzelnen Bundesländer, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tragen.

Keine leichte Abwägung. Denn gerade das Bundesverfassungsgericht hat vorgegeben, dass politische Stellen den Auftrag nicht nach Belieben verändern dürfen und schon gar nicht über Finanzvorgaben Einfluss auf das Programm nehmen dürfen. Das führt zu der paradoxen Situation, dass die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzierungsbedarf im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Kef) genau ermittelt, was die TV- und Radiosender benötigen. Von den beantragten drei Milliarden Euro für die Zeit von 2021 bis 2024 kürzte die Kef, die aus Wirtschaftsprüfern, Rechnungshofpräsidenten und Medienrechtlern besteht, die Hälfte weg. Die Ministerpräsidenten billigten den Bedarf im Sommer dieses Jahres in einem Staatsvertrag, die die Länderparlamente dann nur noch bestätigten sollten. In Sachsen-Anhalt zog Ministerpräsident Reiner Haseloff den Antrag am 8. Dezember zurück, um ein gemeinsames Nein seiner Fraktion mit der AfD im Landtag von Magdeburg zu verhindern. Die angeblich unabhängige Erhöhung des Rundfunkbeitrags war gescheitert.

Jetzt müssen die TV- und Radioanstalten erst einmal ohne die zusätzlichen Gelder auskommen. Allein der ARD fehlen nach deren Angaben 800 Millionen Euro. „Es wird drastische Einschnitte in das Programm geben“, prognostiziert WDR-Mann Schönenborn, wenn es dabei bleibt. Doch die öffentlich-rechtlichen Sender haben bereits Klage gegen das vorläufige Nein aus Magdeburg vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Jetzt müssen die Richter dort über ein Gesetz verhandeln, das gar nicht verabschiedet wurde. Denn die aus Sicht von ARD und Co. notwendigen Finanzmittel wurden mit der Verschiebung der Abstimmung erst einmal auf Eis gelegt.

Zugleich gibt es durch die Weigerung der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt eine heftige Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap etwa will die eingenommen Beiträge gar nicht mehr an die bestehenden Sender automatisch auszahlen. Sie sollen sich mit Programmvorschlägen um die Gelder bewerben, wobei auch private Anbieter zugelassen sein sollen. Andere schlagen die Privatisierung des bundesweiten Senders ZDF vor, während die ARD vornehmlich auf regionaler Ebene weiter tätig sein soll. Eine Arbeitsgruppe des CDU-Bundesfachausschusses Wirtschaft, Arbeitsplätze, Steuern schlägt vor, nur noch Sendeformen, nicht mehr ganze Sender zu fördern und die Beiträge durch gewählte Repräsentanten der Beitragszahler – ähnlich wie bei der Sozialversicherung – festlegen zu lassen.

Die Vorschläge wirken noch unausgegoren und würden in dieser Form das System der öffentlich-rechtlichen Sender zerschlagen. Für Schönenborn wäre das ein Schlag ins Gesicht der Nutzer. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist tief im Alltag der Menschen in Deutschland verankert. Sie konsumieren allein in Radio und Fernsehen im Schnitt drei Stunden täglich die Angebote von ARD, ZDF und anderen öffentlich-rechtlichen Sendern.“

Trotzdem wird die Reformdiskussion lauter. Es geht um die Frage, wie der positive Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für eine kritische Berichterstattung in Einklang mit Kostenbewusstsein und Effizienz gebracht werden kann, ohne dass die Politik zu viel Einfluss nimmt. Dabei müssen sich ARD, ZDF und Deutschlandradio viele Fragen gefallen lassen. Warum braucht man so viele Sender mit teilweise ähnlichen Programmen? Welche Summen dürfen in die Fernsehrechte für die Übertragung von Profi-Fußball fließen? Ist der öffentliche Rundfunk zu stark nach links gedriftet und nimmt nicht mehr die Interessen der konservativen Schichten oder der Wirtschaft wahr? Tun die Programmmacher genug, um die jungen Hörer und Zuschauer zu gewinnen?

WDR-Fernsehdirektor Schönenborn verteidigt das derzeitige Programm: „Die gesellschaftliche Stimmung hat sich seit der Wende nach links verschoben. Das spiegelt sich in den Parteien wie in den Medien - und auch in unseren Programmen.“ Diese Entwicklung bedauert der TV-Journalist. Es gebe, so Schönenborn, weniger profilierte konservative Stimmen als in der alten Bundesrepublik. „Umso wichtiger ist es, sie in die Debatte einzubeziehen. Denn die Meinung von Minderheiten ist die Würze im demokratischen Dialog“, formuliert er beinahe als Auftrag an das eigene Haus.

Auch das Sparen ist nicht ganz einfach in festgefahrenen Strukturen. Mit der Kosteneffizienz der privaten Sender können sich ARD und ZDF jedenfalls nicht messen. Sie geben mit 8,1 Milliarden Euro überdies mehr Geld aus als jedes andere Medienunternehmen in Deutschland – den Verlagsriesen Bertelsmann einmal ausgenommen. Gleichwohl sparen die Sender. Der WDR hat 500 seiner 4500 Stellen abgebaut und kürzt den Etat jedes Jahr um 30 Millionen Euro. Das ZDF hat seit 2010 zehn Prozent seiner Belegschaft abgebaut und damit alle Vorgaben der Finanzkommission Kef erfüllt.

Es ist klar, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich auf den Kern ihrer Arbeit konzentrieren müssen. Fußball, Unterhaltung, aufwendige TV-Shows können da bestenfalls zur Ausgewogenheit eines vornehmlich an der Information orientierten Angebots eingesetzt werden. Mehr Geld sollte in investigative Teams fließen, in die Vermittlung demokratischer Werte und die kritische Berichterstattung über Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Sport. Zugleich darf es nicht selbstverständlich sein, dass die Parlamente zusätzlichem Finanzbedarf zustimmen. Dafür müssen die Programmmacher stärker werben, auch wenn sie sich eine politisch motivierte Beschneidung nicht gefallen lassen müssen. Und in der zunehmend digitalen Welt müssen sich die Aktivitäten auf die Begleitung des Programms beschränken, um die privaten Anbieter nicht in die Enge zu treiben. Denn die sind auf Abo-Gelder im Internet angewiesen – anders als die TV- und Radiosender. Man mag es wenden, wie man will. Die wichtige Funktion der öffentlich-rechtlichen Medien wird eine gefährliche Gratwanderung bleiben. Aber auch das gilt: Für das demokratische Gefüge bleibt der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter wichtig.

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