Wenn der Name in der Politik zur Marke wird Rüttgers auf den Spuren von Hartz und Riester

Berlin (RPO). Jürgen Rüttgers (CDU) ist kurz davor, seinen Namen zur Marke zu machen. Die Renten-Vorschläge des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten werden derzeit kontrovers diskutiert - unter dem wohlklingenden Titel "Rüttgers-Rente". Durchgesetzt hat sich der Name noch lange nicht, zu groß ist der inhaltliche Widerstand gegen das Konzept. Dabei hat die Strategie - Politiker als Namensgeber für Reformen - einige Vorbilder.

Das ist Jürgen Rüttgers
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Den Namen "Rürup" findet Jürgen Udolph besonders gut. "Rüür-up", spricht der Namensforscher mit langgezogenem Vokal vor. Im Niederdeutschen heiße das "rühr auf". "Aber im Sinne von Aufrührer oder Unruhestifter", schiebt der Wissenschaftler hämisch nach. Über diese Bedeutung haben sich die Verantwortlichen in der Politik vermutlich keine großen Gedanken gemacht, als sie den Wirtschaftsweisen Bert Rürup vor Jahren in eine Expertenkommission holten, um ihn an einer Rentenreform feilen zu lassen. Herausgekommen ist die "Rürup"-Rente - die "Unruhestifter"-Rente also.

Immer wieder werden Gesetze oder Reformen mit dem Namen einer einzigen Person verbunden - nach Ansicht von Wissenschaftlern eine riskante Strategie. Als VW-Personalmanager lieh Peter Hartz beispielsweise der großen Arbeitsmarktreform der rot-grünen Bundesregierung seinen Namen. Vom einstigen Visionär ist nicht viel geblieben. Inzwischen ist Hartz wegen Untreue und Begünstigung verurteilt - und die Ministerien im Land meiden den Begriff "Hartz". Auf den Internetseiten des Bundesarbeitsministeriums taucht der Name kaum noch auf. Stattdessen ist dort umständlich vom "Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" die Rede. Mit dem Wirbel um die Person Peter Hartz habe das nichts zu tun, versichert eine Sprecherin. "Hartz IV" sei schlicht umgangssprachlich und eine "Erfindung der Medien".

Politiker aller Parteien nehmen die umgangssprachliche Wendung trotzdem dankbar auf. "Hartz IV" ist zu einem Schlagwort geworden - kurz, griffig, prägnant. "Jeder weiß, was damit gemeint ist", sagt Udolph, "ein Name transportiert so viele Informationen auf einen Schlag." Diesen Vorteil mache sich die Politik zunutze.

Personalisierung als Zeitbombe

Die Personalisierungsstrategie sei gleichzeitig eine "Zeitbombe", warnt Ansgar Zerfaß, Professor für Kommunikationsmanagement in Politik und Wirtschaft an der Universität Leipzig. "Man muss daran denken, dass die Halbwertszeit von Politikern oder anderen öffentlichen Personen wesentlich geringer ist als die von Gesetzen oder Reformen", sagt er. Wenn die Person in Ungnade fällt, schadet das auch dem Image des politischen Vorhabens - so geschehen im Fall Hartz.

Nach dem Prozess gegen den Manager forderten Politiker, die Reform müsse offiziell umbenannt werden - erfolglos. "So etwas ist drin in den Köpfen", sagt Udolph, "da haben Sie keinerlei Chance, das wieder zu ändern." Dem Forscher zufolge ist der Name "Hartz" eine Abwandlung des Wortes "hart", im Sinne von streng und kernig. Als streng empfinden viele Betroffene die Reform.

Erfolgsmodell Riester

Relativ frei von heiklen Assoziationen ist der Name Riester - ein altes Wort für ein Stück vom landwirtschaftlichen Pflug. Der Name beziehe sich auf einen Pflugmacher oder einen Bauern, sagt Udolph. Vor diesem Begriff scheut sich denn auch das Arbeitsministerium weniger als vor "Hartz": Die Worte "Riester"-Rente oder "Riestern" sind auf der Internetseite in Massen zu finden.

"In einer Mediengesellschaft, in der die Verpackung eine große Rolle spielt, kommen Sie um diese Strategien gar nicht herum", sagt Zerfaß. Jederzeit sei mit einem neuen Fall von prominenter Namensgebung für ein politisches Programm zu rechnen - trotz aller Risiken.

Pech hatte die "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" mit ihrer Namenswahl. Anstelle des komplizierten Titels schmückte sich die Hamburger Partei zwischenzeitlich mit dem Namen ihres Gründers und Vorsitzenden Ronald Schill. So entstand der griffige Titel "Schill-Partei". Als der Vorsitzende jedoch nach mehreren Affären aus der Partei ausgeschlossen wurde, taugte der Name nicht mehr. Ganz unverfänglich ist der Name "Schill" laut Udolph ohnehin nicht. Übersetzt heißt das "der Schielende".

(afp)
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