Ringen um Pflegereform Rückschlag für Gesundheitsminister Bahr

Berlin · Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat bei der geplanten Pflegereform eine herbe Schlappe erlitten. Der Sozialexperte Jürgen Gohde erklärte seinen Rückzug vom Vorsitz des Pflegebeirats, der vor allem Details für eine bessere Versorgung von Demenzkranken ausarbeiten soll, wie die "Berliner Zeitung" berichtete. Die Opposition hält Bahr für gescheitert.

Daniel Bahr: Ein Bergsteiger will hoch hinaus
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Gohde begründete seine Absage damit, dass es nach wie vor kein klares Finanzkonzept für eine Pflegereform gebe. Zudem fehle der schwarz-gelben Regierung die "politische Entschlossenheit", spürbar mehr für Demenzkranke zu tun. "Ich bin an einem Punkt, an dem ich sage, es geht nicht", sagte er der "Berliner Zeitung". Gohde hatte sich bereits in den vergangenen Monaten in Interviews wiederholt kritisch zum Fortgang der Pflegereform geäußert und einen klaren finanziellen Rahmen gefordert.

Der Pflegebeirat soll die Details der Reform ausarbeiten. Im Kern geht es dabei vor allem um die Einführung eines neuen Pflegebegriffs, damit Demenzkranke künftig mehr Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen. Bislang geht es bei der Pflegeversicherung vor allem um körperliche Defizite, weshalb Demenzkranke oft außen vor bleiben, obwohl auch sie eine spezielle Betreuung brauchen. Experten drängen daher seit Jahren auf eine Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

Bereits 2009 hatte ein von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingesetzter Pflegebeirat Empfehlungen zur Überarbeitung des Pflegebegriffs vorgelegt. Bahr hatte den Beirat nun wieder aktiviert, um eine neue Einstufung bei der Pflege erarbeiten zu lassen. Erst dann soll über die Finanzierung entschieden werden.

Laut Bahr werden nun ab Januar der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), und Klaus-Dieter Voß, Ex-Vorstand des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die Leitung des Pflegebeirats übernehmen. Bahr bedauerte den Rückzug von Gohde, betonte aber zugleich, er halte an der geplanten Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs fest. "Wir wollen einen neuen Begriff definieren, der wegkommt von der reinen Verrichtung, also weg von der Minutenpflege", erklärte der FDP-Politiker.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wertete den Rückzug von Gohde indes als weiteren Beleg "für die Handlungsunfähigkeit der FDP und damit der Koalition insgesamt". Bahr sei mit einem weiteren zentralen Projekt "gescheitert", erklärte sie in Berlin.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte Bahr auf, schnellstens für verlässliche Rahmenbedingungen und eine ausreichende Finanzierung der Pflegeleistungen zu sorgen. "Die Pflegereform darf nicht zum Pflegefall werden", erklärte sie. Auch der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, warnte vor einer weitere Verschleppung der Reform.

Nach einigen Verzögerungen hatte das Bundeskabinett Mitte November die Eckpunkte der lange geplanten Pflegereform gebilligt. Geplant ist unter anderem eine Beitragsanhebung um 0,1 Prozentpunkte ab 2013, die 1,1 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen in die Pflegekassen spülen soll.

Zudem soll die bestehende gesetzliche Pflegeversicherung durch eine freiwillige private Zusatzvorsorge ergänzt werden. Die Reform soll nach dem Willen Bahrs zumindest teilweise im ersten Halbjahr 2012 in Kraft treten.

(AFP)
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