Merkel versus Steinmeier Rollentausch im Wahlkampf

Berlin (RP). Erst stellt Merkel ihren Vize beim Gipfelmarathon in den Schatten, dann reist sie ohne sein Wissen nach Afghanistan.­ Außenminister Steinmeier revanchiert sich, indem er im Innern den Druck erhöht.

Merkel besucht Bundeswehr in Afghanistan
10 Bilder

Merkel besucht Bundeswehr in Afghanistan

10 Bilder

Es gehört zu den bitteren Momenten einer Vizekanzlerschaft, wenn man als beliebtester deutscher Politiker und Außenminister beim gleißenden Licht internationaler Gipfel doch nur im Schatten steht. Frank-Walter Steinmeier durfte bei der Gipfelserie der letzten Tage immer wieder erleben, wie die Bundeskanzlerin selbst die Außenpolitik bestimmte und für ihn nur der Part des Zuträgers im Hintergrund übrig blieb.

London ­ Straßburg ­ Prag, täglich glänzte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf internationalem Parkett. Und gestern setzte die CDU-Politikerin noch eins drauf: Sie jettete nach Afghanistan, ohne ihren sozialdemokratischen Vize eingeweiht zu haben.

Eine Auslandsreise ohne Wissen des Außenministers? Steinmeier wollte öffentlich keine anderen Motive unterstellen als die Sorge um die Sicherheit der Regierungschefin, die den Kreis der Wissenden so klein wie möglich halten wollte. Wie begründet die Wahl des Formates eines Überraschungsbesuches war, zeigte sich gut eine Viertelstunde, nachdem Angela Merkel das Bundeswehr-Feldlager im afghanischen Kundus wieder verlassen hatte: Die Taliban feuerten zwei Raketen auf die Deutschen ab, verfehlten aber die Gebäude. Es gab weder Personen- noch Sachschäden.

"Information im Vorfeld"

Aber sieht die Kanzlerin den Kanzlerkandidaten tatsächlich als "Sicherheitsrisiko” an? Vizeregierungssprecher Thomas Steg gab sich gestern in Berlin alle Mühe, die Besonderheiten der Reise herauszustellen, zu begründen, warum alles im Detail mit dem Verteidigungsministerium geplant, aber das Auswärtige Amt völlig übergangen wurde.

"Wir haben davon mehr oder weniger durch Zufall erfahren”, berichtete Steinmeiers Sprecher Jens Plötner. Und umgekehrt? Als Steinmeier seine Reise nach Afghanistan vertraulich vorbereitete? Antwort: "Da hat es eine Information an die Bundeskanzlerin im Vorfeld gegeben.”

Wenig später legte sich ein Grinsen über das Gesicht des Steinmeier-Sprechers, das rekordverdächtige Dimensionen annahm. Da erläuterte der Regierungssprecher, neben ihm, wie sehr die Bundeskanzlerin die "Welt-ohne-Atomwaffen”-Initiative des US-Präsidenten begrüße; schließlich habe sie "von sich aus” ja bereits bei der Sicherheitskonferenz in München das Anliegen zur Sprache gebracht.

Das Auswärtige Amt erinnert sich anders: Frank-Walter Steinmeier war es, der zum Auftakt die Welt ohne Atomwaffen beschwor, und erst tags drauf hielt Angela Merkel fest, dass man vorerst noch nicht darauf verzichten könne.
Während die Bundeskanzlerin systematisch das Feld des Außenministers abgrast, kontert dieser mit verstärkter Präsenz im Innern.

Kaum schwebte die Kanzlerin zwischen Kundus und Masar-i-Sharif am Hindukusch, schlug der Außenminister in Berlin Pflöcke ein. Eigentlich wollten die Bundesminister die Rückkehr der Chefin abwarten, bevor sie die Zukunft der Abwrackprämie klären, doch Steinmeier verkündete, es werde bei der bisherigen Höhe von 2500 Euro bleiben.

Steinmeier bleibt bei Opel am Ball

Und auch beim Thema Opel bleibt der SPD-Kanzlerkandidat am Ball. Während die Bundeskanzlerin die Entscheidungen der amerikanischen Regierung zur Opel-Mutter General Motors abwartet und zurückhaltend definiert, nur dann helfen zu wollen, "wenn der Nutzen für alle Menschen größer ist als der Schaden”, legt sich Steinmeier längst auf Opel-Hilfe fest. Dazu treibt er die Kanzlerin noch an: Durch Warten werde zu viel Zeit vergeudet, jetzt müsse gehandelt werden.

Wie es angeblich geht, hält der Sozialdemokrat mit einem Zehn-Punkte-Plan bereit. Wann hat ein Außenminister schon einmal einen Handlungsplan für die deutsche Tochter eines Weltkonzerns entwickelt? Doch die Stoßrichtung wird klar, wenn Steinmeier hinzufügt, wo die von ihm vorgeschlagene "Task Force” angesiedelt sein soll: "im Kanzleramt”. Damit ist auch das gewünschte Bild geschaffen: SPD-Kanzlerkandidat treibt CDU-Kanzlerin.

Das gilt erst Recht für die Außenpolitik. Und ganz besonders für ­ Afghanistan. Während die Bundeskanzlerin vor Ort auf jedes politische Gespräch verzichtete, legte der Vizekanzler in Berlin dar, wie das Land politisch stabilisiert werden könne.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort